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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0328

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CHRONIK

BERLIN

Bei Schulte ist neben einer modernen Abteilung,
in der ein interessanter Böcklin, Melancholie, von
1879, und zwei Adolf Menzel hervorragen, eine
umfangreiche Anzahl grosser Engländer ausgestellt,
alles Meister aus dem achtzehnten Jahrhundert.
Constable ist der erste Meister, den man sieht;
er ist mit Darstellungen sowohl im romantischen
Charakter, mit grauen Wolken, von denen herrlich
gemaltes lockeres Laub sich absetzt, wie mit
Bildern vonklarerFarbevertreten, meistensStudien
von der See, deren subtiler Ton unsre Freude
bildet. Dann kommen die klassischen Porträtisten.
Von Reynolds sieht man das sehr gute Bildnis des
Richters Lord. Ashburton mit seiner Schwester
am Schreibtisch. Wenn man denkt, wie oft Rey-
nolds einen Menschen am Schreibtisch gemalt hat!
wie viele Bildnisse unter dem Pinsel dieses Un-
ermüdlichen, Unerschöpflichen entstanden sind!
Selbstverständlich ist das Bild mit grosser Routine
gemalt, nur mit Routine — dennoch aber be-
wundernswert! Wenn man sich vorstellt, dass
dieser Künstler seinen ersten Kunden etwa um
zehn Uhr empfing, eine Stunde an seinem
Bildnis malte, darauf zum Bildnis des folgenden
überging und so fort arbeitete, bis die Stunde zum
dinner schlug, und niemals verzagt war und stets
guten Appetit hatte und grosse Feste gab und doch

in seiner Malerei nie das Niveau verlor. . . .
Er besass die grosse Kraft, sich, auch wenn er
sich nicht zu seinen höchsten Leistungen erhob,
stets geschmackvoll und als Maler vollkommen zu
geben. Wie schön ist auf diesem Bilde der goldige
Schimmer, der feine Ton, die mühlose Charak-
teristik.

Gainsboroughs Bild des klugblickenden Marquis
of Lansdowne mit den für Gainsborough charak-
teristischen, mehr kleinen als grossen, schwarzen,
glänzenden Augen hat nicht die Vorzüge manches
Gainsborough. Sir Thomas Lawrence zeigt seine
schon der Decadence angehörende Kunst in einem
grossen Familienporträt, das bis zur Fadheit geht:
gemalter Stahlstich. Von Raeburn erblickt man
ein solides, höchst meisterhaftes Porträt des James
Cruikshank; Hoppner gefällt besser als in einem
vom Zeitgeschmack versüsslichten Kinderbildnis
in dem vornehmen Porträt des George Cholmley.
Von Romney ist das sehr anziehende Bildnis der
Lady Milner ausgestellt. Anmutig sitzt sie weiss-
gekleidet in einer farbenreichen Eklektikerland-
schaft. Das Bild hat in der Landschaft vielleicht
nicht einen richtigen Ton und ist doch ein brillanter
Romney und sagt alles über diesen Maler aus, der
die zuweilen hinreissenden Bilder der antikisieren-
den Lady Hamilton schuf und den Reynolds einen

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