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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Bücherbesprechungen / Zeitschriftenschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0377

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wmm.

BÜCHERBESPRECHUNGEN

Max Slevogt, Ali Baba und die vierzig
Räuber; Improvisationen. Berlin, Bruno Cas-
sirer. M. $. —

Dies Buch ist eins der entzückendsten Miss-
verständnisse, die je vorgekommen sind. Max Sle-
vogt, unsere impressionistische Freude und Hoff-
nung, vernahm von fern den Ruf, der da für die
Unmündigen statt geschmackverderbender Bar-
bareien künstlerisch erträgliche Nahrung fordert,
und obwohl er seiner inneren Natur wie seiner
äusserenStellungimKunstlebennach zu denjenigen
gehört, die mit fröhlichem Selbstbewusstsein über
derartiges Streben der sozialen Zeit als über eine
aus falschem „Idealismus", Schulmeisterei und
Philistertum gemischte Unnötigkeit lächelnd zur
Tagesordnung übergehen möchten, horchte er auf.
Er hatte Vorjahren in einem famosenBilde,das seinen
Malerruf entscheidend begründen half, mit allen
Künsten seiner funkelndenFarbensprache die schöne
Scheherezade dargestellt, wie sie ihrem verliebt-
blutrünstigen Sultan die Märchen von tausend und
einer Nacht erzählt. Nunergriffihn die Anregung
jener Forderungen, und den sonst von rein male-
rischen Problemen Erfüllten wandelte die Lust an
zu fabulieren. Von den phantastischen Geschichten
der erfindungsreichen Türkin war ihm die tolle
Begebenheit, die der wackere und ehrliche Ali
Baba am Wunderberge Sesam erlebte, gerade recht.
Er las sie noch einmal durch, und vor seinem Auge
erschienen in einer sich überstürzenden Folge von

Bildern die Scenen und Gestalten des orientalischen
Märchens. Rasch, wie er die Eindrücke der Natur
und Wirklichkeit zu bannen pflegt, hielt er mit
Feder, Tusche und ein paar Aquarellfarben die
flüchtig aufsteigenden und verschwindenden Vi-
sionen fest, und in der ganzen improvisatorischen
Frische, mit der er sie aufs Papier hinskizziert
hatte, wanderten sie in die Kunstanstalt von Albert
Frisch, um sich durch Lichtdruck, Netzätzung und
Strichätzung vielhundertmal höchst getreu reprodu-
zieren zu lassen. Es sind „Illustrationen" geworden,
für die es kaum Vorgang und Beispiel giebt. Darin
zwar bewegen sie sich auf gebahnten, sogar von
vielen heute schon aufgegebenen Wegen, dass sie
nicht, modernen Buchschmuckprinzipien folgend,
Motive des Textes selbständig und in absoluter
Freiheit paraphrasieren, sondern ganz brav dem
Gang der Erzählung folgen. Aber darin sind sie
von keckster Originalität, dass sie sich bei dieser
soliden Nacherzählung, die wohl durch ein dunkles
Gefühl vom Wesen des Bilderbuches veranlasst
wurde, durchaus auf die impressionistische Skizze
beschränken und den Begriff der „Zeichnung" mit
dem der Studie erschöpfen. Daraus entsteht ein
sehr amüsanter Stilkontrast: auf der einen Seite
die wohlabgewogene, klar disponierte, würdevoll
ruhige Erzählung, und daneben die nervös hin-
gesetzten, launischen, von innerster Unruhe er-
füllten Bildchen. Dort bedachteste Komposition,
hier augenblickliche Eingebung; dort Weisheit,

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