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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0410

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CHRONIK

BERLIN

ie Arbeiten von J. E. Blanche,
die mit einer kleineren Reihe
von Schöpfungen Cottets zu-
sammen bei Schulte ausgestellt
waren, haben sich durch jene
Ehrlichkeit ausgezeichnet, die
den gebildeten Mann kenn-
zeichnet: sie stellen Blanche
nicht anders dar als er ist. Er brüstet sich nicht
damit, eine Persönlichkeit zu sein, er giebt ganz
einfach zu erkennen, dass er zwar eine Leidenschaft
des echten Parisers hat: Kunstliebe, und eine seiner
wahrhaften Tugenden: Geschmack, dass er indessen
nicht prätendiert, eine Einzelerscheinung, ein merk-
würdiges Etwas zu sein. Es posiert ganz und gar
nicht, und das ist es, was unsere Seele ihm günstig
stimmt. Er ist im Grunde ein Akademiker in der
Reinkultur; nicht einer jener geringfügigen Aka-
demiker, die das von Professoren an Akademien
geringerer Grade — überhaupt an Akademien —
Gelehrte aufnahmen, sondern ein Akademiker,
dem die Glücksgötter beschieden hatten, von
unmittelbaren Künstlern umgeben, nicht in-
mitten von Malern aus zweiter und dritter
Hand, von Kindheit an zu leben. Als er acht Jahre
alt war, wurde er zu Manet geschickt, der darüber
entscheiden sollte, ob aus ihm ein Maler werden
könnte. Und wenn man nichts anderes von Manet
wüsste als dieses, dass er Jacques Emile Blanche die

Aufgabe stellte, eine Briocbe, das ist ein Hörnchen
zu malen . . . anstatt des Gipskopfes oder anstatt
des mit vielen Furchen und einem Patriarchenbarte
versehenen Modellgreises ... so würde man schon
daran erkennen, welch ein fruchtbares Ingenium
in jenem grossen Künstler gesteckt hat, den wir
als unsern Malermeister ersten Ranges verehren.
Blanche ist Manet nicht treu geblieben; er hat
sich dem Kultus vieler Götter gewidmet. Eine
Zeit lang schien er nicht mehr ein Pariser zu sein
sondern ein Engländer in jenem Sinne, wie es
Paul Bourget war, voller Vorliebe für englische
Kultur, allerdings nicht für die englischen Prä-
rafaeliten und Aestheten, sondern für die englischen
Künstler des achtzehntenjahrhunderts, für Gainsbo-
roughundRomney, zuweilen auchfürRowlandson.
Jene Periode seiner Porträtmalerei liegt nun hinter
ihm, in der er mitten in Paris die Damen und die
Kinder, welche von ihm porträtiert wurden, mit
grossen Hüten ausstattete und mit Kostümen, die
eine Adaption aus dem achtzehnten Jahrhundert
waren — zum Glück ist diese Epoche vorbei und
wir sehen ihn in den Arbeiten, die bei Schulte
waren, nur ein einziges Mal in einer nahen
Anschmiegung an alte Meister: in seinem Porträt
des spanischen Malers Zuloaga, den er, Zuloaga
entsprechend, mit der Grandezza eines alten
Spaniers darstellt, im übrigen erfreut er durch
delikate Beobachtungen des Lebens. H,

toi
 
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