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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Bücherbesprechungen / Zeitschriftenschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0417

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Vergleiche ich das neue Buch mir den cur- Dorr das freie Schaken einer formbestimmenden

sprechenden Abschnirten der „Geschichte der und tonnbelebenden Phantasie, hier deren resig-

Malerei", so scheint vielfach das Urteil gerechter nierte Lebensscfawiche, stolz maskiert von einem

abgewogen. Muther sucht zu begreifen und zu hochmütigen Vertrauen auf das zu arrangierende

erklären, auch was seiner Geschmacksrichtung Modell und dessen realistischen Schein. Dorr also

fremd ist. die Wahrheit des menschlichen Inhaltes unter jeder

Seine überzeugtesten Bewunderer werden viel- Bedingung, auch ohne Rücksicht auf die sachliche
leicht vermissen, dass er nicht mehr wie einst hell- Glaubwürdigkeit, hier die trügerische Wahrschein-
schmetternde Kampffanfaren ertönen lasst, dass lichkeit des Aussehens, der sorgfaltig angestrebte
der Ausdruck gemildert, die Sprache nicht ganz Schein der nüchternen Möglichkeit. Dort sind Ju-
so reich mehr mit kühnen und packenden Bildern halt und Form eine ein/ige Vorstellung, eine un-
geschmückt ist. Ich hake das für Vorzüge des teilbare Einheit, welche nur die Aesthetik zum
neuen Buches. Möchte es die gleiche Teilnahme Zwecke der Begritfsgewinnung theoretisch trennt;
rinden wie Muthers frühere Werke: die Teilnahme hier sind sie in der künstlerischen Konzeption
Solcher, die gern sich der Führung eines Kunst wirklich geschiedene Faktoren, welche sich zu den
wirklich Empfindenden anvertrauen, und lieber äusserlichen Vorstellungen von Programm und
den Worten eines Mannes lauschen, der stets Ausführung verdacht haben . . . ."
interessant ist, auch wenn vielleicht das einzelne „Bei den Alten das Begnügen in einem engen
Diktum nicht auf die Wagschale gelegt werden Bilderkreis und die fortwährende Befriedigung
darf, als derer, die zwar jeden Satz in seiner des Kunsrgefühls am gleichen Gegenstand; heute
Richtigkeit mit Zitaten belegen können, darüber die nie befriedigende Jagd nach neuen Stoffen,
aber vergassen, einen lebendigen Stoff lebendig aus denen immer nur der Wunsch nach weiterer
zu ergreifen. Georg Gronau. Ueberbietung hervorwächst. lüde und Himmel,

Mythus und Geschichte werden ausgemessen, und

ZEITSCHRIFTENSCHAU F™« "^teBta*![ seine Stoffe an jenen

Urenzen des Wissens, wo Kenntnis und Forschung

Aus einem Essai des herrlichen, zu früh ver- sich bescheiden und der Phantasie das Feld über-

storbenen Adolf Bayersdorfer, auf dessen „Leben lassen. Die Wahl solcher Stoffe schliesst natürlich

und Schriften" — jüngst bei Bruckmann erschienen die Kunst nicht aus; aber eine wahre Kunst wird

- wir noch zurückzukommen gedenken, druckt nicht unnötigerweise nach dem Reiz des Ent-
der Kuiistxvart einen Teil ab, der von „deutscher fernren und Seltenen greifen, denn sie besitzt
Kunst um 1870" handelt. Man kann getrost sagen, die Zaubergabe, auch das Nächstliegende mit dem
dass jener Unterschied, den Bayersdorfer zwischen höchsten Interesse zu erfüllen und am Einfachsten
alter und moderner Kunst (Kunst der siebziger ihre Erkenntnis des Ewigen zu offenbaren. . . ."
Jahre) findet, heute nicht mehr existiert: In der „Unsere Künstler wollen gewöhnlich für etwas
alten Kunst„erkenntman die sichere Führung einer Abstraktes am Gegenstande in der Kunst die nicht
grossen Kunstanschauung, welche die Zeitalter be- vorhandene Sprache finden, während die Alten
herrscht und sich am Gemeingut bestimmter Ideale nur den Empfindungsweit seiner sinnenfälligen
in grossartigerEinheit aller freien Geistesschöpfung Faktoren zum Ausdruck brachten, auch wenn sie
offenbart, einer Kunstanschauung, welche alles allegorischen Inhalt behandeln oder sonst einen
individuelle Urteil der Zeit in sich begreift und illustrativen Zweck verfolgen mussten. .." (Dieses
auch das "erinnere Talent vor Verwirrung bewahrt mussten zeigt einen wundervollen Grad der Frei-
und es über seine subjektiven Fähigkeiten empor- heit bei Bayersdorfer an.) „Die Tiefe eines Dürer
hebt. Hier dagegen steht man vor einer Kunst, und Michelangelo, welche Meister so gerne für
welche nicht der notwendige und unbefangene diese Eigenschaft in Anspruch genommen werden,
Ausdruck der Kultur ihres Zeitalters, sondern mehr ruht nicht in der Naclulrückiichkeir ihres Aus-
eineGeschmackssache,ein vonderBildungeklektisch sinnens und Zusammendenkens oder gar ihrer
gepflegtes Herkommen ist ohne die souveräne philosophischenSpekulation- dazu ist kein Künstter-
Abkunft aus einer herrschenden Kunstanschauung tum vonnöten — sondern««;* in der Naclulrücklich-

— ein die moderne Zivilisation dekorierender An- keif ihres Sehens, in der Wucht und fülle ihrer
strich, der einen angenehmen Reflex in das Leben bildlichen Phantasie. . . ." „Das „Programm" des
wirft. Daher hier die ziellose Vielfältigkeit Kunstwerkes . . . entwickelt sich bei den Alten
einer ausgedehnten und unsteten Produktion, die nur aus den optischen Eigenschafren der 1 r-
Verwirrung und Unklarheit der allgemeinen Ab- scheinung; nur in diesen gewinnt es seine Be-
sichten, die ruhelosen Versuche und Originalitäts- deutung und hilft es seines Urhebers Eigenart und
bestrebungen dieser ihrer eigenen Führung preis- Grösse bestimmen und begründen." Fabelhaft
gegebenen Künstler. modern!... Erdachte 1 i'70 wie ein Impressionist!

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