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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Heilbut, Emil: Eine Streitfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0490

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EINE STREITFRAGE

WENIGE Titel giebt es bei den moder- dasselbe Naturbild erzeugt wird. Der Neo-
nen Künstlerverbänden, die vernünftig Impressionist dürfte sich nicht anders als ein-
sind. Zu den vernünftigen Titeln zählen die, fach Impressionist nennen, sobald er nur seine
welche nach den Namen der Orte gebildet Eindrücke wiedergiebt. Was er mit dem neuen
sind, in denen die Künstler gehaust haben: Wort ausdrücken will, ist gar nicht, dass seine
Schule von Fontainebleau — oder nach Eindrücke neu sind, nur dass seine Wiedergabe
den Cafes, in denen sie ihre Zusammenkünfte neu ist. Darum ist das Wort Neo-Impressionist
abhielten: Gruppe von Batignolles, Luitpold- falsch gebildet,
gruppe. Und prätentiös ist das Wort Neo-Impressio-

Es gehören ferner zu den einwandfreien nist, weil es den Gedanken wachruft, als ob

freilich nichtssagenden Titeln jene, die nach diese Gruppe die Nachfolgerin der Gruppe von

der Ziffer der Mitglieder gebildet worden sind, Manet, Monet, Renoir, Sisley, der Gruppe

die sich zum Klub vereinigt haben, also Bund dieser bewundernswerten Einzelerscheinungen

der „Elfer" in Berlin oder Bund der „Zwanzig" wäre. Die neue Gruppe besteht gar nicht aus

in Brüssel. Einzelerscheinungen; mit dem Eintritt neuer

Indessen sehr rar ist die Zahl solcher Titel, Mitglieder in ihren Kreis könnte sie beliebig

welche so vortrefflich waren, dass sie die Be- vergrössert werden. Was man für sie können

schaffenheit der Künstler erkennen Hessen, die muss, ist, wie für den Mosaikarbeiterstand,

sich unter ihrem Banner zusammenfanden. Zu jedermann erreichbar. Sie müsste sich nicht

dieser verschwindenden Elite von Titeln ge- die Nachfolgerin einer geschlossenen Gruppe

hörten die Bezeichnungen tachiste oder poin- nennen, in der jeder eine Persönlichkeit war.

tilliste. Jemand macht Schuhe und wir Aber diese Frage des Namens ist ja nur

nennen ihn Schuster. Jemand malt mit Wasser- eine nebensächliche und ich bringe sie an

färben und wir nennen ihn einen Aquarellisten, den Anfang meiner Polemik gegen den van

Jemand malt in Flecken und wir nennen de Veldeschen Aufsatz über die Belebung des

(nannten!) ihn Fleckenmaler (tachiste) oder Stoffes als Schönheitsprincip eben deshalb,

Punktemaler (pointilliste). Das Wort neo- weil van de Velde an dieser Namengebung

hnpressioniste ist verschwommen und un- vollständig unschuldig ist.

logisch. Die beiden andern Ausdrücke sind «&

gut aber bescheiden. Es konnte nicht aus- Auffallend ist es bei den Anhängern des Neo-

bleiben, dass das verschwommene, unlogische, Impressionismus, auch bei van de Velde, wie

aber prätentiöse Wort die beiden sachlichen sie sich auf die Berührung mit alten Meistern

Ausdrücke zurückdrängte. versteifen. In einer Broschüre* führt Graf

& Kessler, ohne eine Begründung mitzuteilen,

Aus folgendem Grunde ist das Wort Neo- warum er diese Meister für teilweise dem

Impressionist unlogisch: Neo-Impressionismus zugekehrt halte, die

So wenig gut das Wort Impressionist ist, Namen Tintoretto und Jordaens, Watteau und

so weiss man doch, dass die Impressionisten Turner auf und von Rubens sagt er, etwas

sich so genannt haben oder so genannt worden auf ihn eingehend, es gäbe ein Porträt in

sind, weil sie ihre Eindrücke wiedergaben. Dulwich und eines in München, auf denen

Der „Neo-Impressionist" strebt ebenso wie neo-impressionistischeElementewären.Ebenso

der „Impressionist" danach, seine Eindrücke spricht van de Velde in dem Aufsatz, der an

wiederzugeben, die nur insofern neu sind, wie "

,....., , . ..... * Über den Kunstwert des Neo-Impressionismus, eine

bei jedem Menschen ein neuer Eindruck durch Erwiderung von Harry Graf Kessler, Berlin, Otto v.Holten 1903.

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