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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Heilbut, Emil: Aus der achten Ausstellung der Berliner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0139

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AUS DER ACHTEN AUSSTELLUNG
DER BERLINER SECESSION

Alle Kunst ist der Regel feind und so werden in dieser Winter-
ausstellung der berliner Secession, die den „zeichnenden" Künsten
gewidmet ist, neben einigen Werken der Skulptur, vielen Pastellen,
die durch die Säle verteilt sind, den Rodinschen farbigen Arbeiten,
die zwei Zimmer füllen, einer Suite von Turnerschen Aquarellen,
die eine Wand beherrschen, auch acht grosse Wandgemälde von
Albert Besnard geboten; sie stellen das Gebirge dar; und haben
etwas tapisserieartiges. Das passt zu ihrem dekorativen Stil. Es ist
merkwürdig, mit welcher Schmiegsamkeit Albert Besnard, der nie-
mals ersten Ranges gewesen ist, es vermocht hat, jeder Aufgabe,
die ihm vorgelegt wurde, verständnisvoll entgegenzukommen. Er
hatte sich noch nicht mit dem Pastell beschäftigt, das im höchsten
Sinne eine ganz eigene Technik verlangt; als er aber einmal Pastell
malte, malte er so anders in Pastell als in Oel, als ob er nie etwas
anderes gethan hätte als mit Pastellstaub seine Hände zu färben.
Ebenso ist er der geborene Aquafortist und ein geborener Deko-
rateur. Stets oberflächlich, nie zu einem tieferen Gefühl in uns
sprechend, doch zuweilen angenehm durch das Gefühl der Sicher-
heit, das er uns giebt, er werde, selbst wenn er auf einem Seil
zu tanzen anfange, nicht straucheln. Den echten Künstlern ist solch ein Künstler ein Gräuel; den
Anfängern kann er von unschätzbarer Hilfe sein (der prädestinierte Akademiedirektor); und den
Dilettanten ist er ein Gegenstand der Bewunderung. _

Ich erinnere mich, dass ich im Anfang der neunziger Jahre, als Besnards Ruhm im Zenith stand, einen
Aufsatz gegen ihn geschrieben hatte und, wie es einem zu gehen pflegt, wenn man berühmte Leute angreift,
mir nach dem Erscheinen die Frage vorlegte, ob ich nicht ein wenig zu weit gegangen wäre. In meiner
Herzenspein suchte ich Whistler auf und fragte ihn, was denn er von Besnard hielte. „Aucun talent",
lautete die Antwort. Ich war beruhigt. _

Zwar war Whistler, der immer paradox war, nie so paradox gewesen wie in diesem Ausspruch. Dean

gerade, was die Franzosen Talent nennen,

hat Besnard im höchsten Masse. Für den Franzosen ist Talent

nicht die angeborene Schöpferkraft, sondern die Geschicklichkeit, die man eines Tages erlangt, den Dingen

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