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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Kessler, Harry: Herr von Werner
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0294

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Des Herrn von Werner Studium der alten Kunst
gleicht etwas seinem Studium der Natur. Beide
dringen gleich tief. Man darf aber wohl ohne
Ironie die Hoffnung aussprechen, dass Herrn von
Werner seine Bewunderung für die alte Kunst unter
diesen Umständen nicht Ernst ist.

Gegen die moderne braucht er sich wenigstens
nicht zu verbeugen. Man weiss, mit welchem feinen
Verständnis er ihr die Wahrheit sagt.

Er hält ihr vor: „Was ich heute (1890) als
Pleinair-Malerei angepriesen höre, ist eigentlich
recht kindlich gegen alles, was Meissonier u. a.
schon vor Jahr und Tag in dieser Richtung als
etwas ganz Selbstverständliches geleistet haben."

Er sagt, — und bezeugt damit seine feine
Unterscheidungsgabe zwischen Künstlern: „Die
Namen Meissonier, Ger6me, Flandrin, Cabanel
und Hebert, Fromentin und Breton, Diaz,
Decamps, Rousseau, Daubigny, Corot und Miller,
Troyon und Rosa Bonheur bezeichnen die Blüte-
zeit und den Gipfelpunkt der französischen Kunst".
(Rede vom iz. 1. 1900; die unterstrichenen Namen
sind von mir gesperrt.) Er hält den Impressionismus,
der die Kunst seiner Zeit in ihren Fundamenten er-
schüttert hat, für eine blosse Sonderbarkeit: „Mit

den Impressionisten.....will ich mich hier nicht

beschäftigen, da ich sonst vielleicht auch auf andre
Kuriosa verfallen könnte". (Rede von 1890.) Er
hat die Probleme der modernen Kunst nie anders
als mit Schimpfwörtern angepackt. Er hat sich nie
ernsthaft mit den Arbeiten von Männern wie Manet,
Monet, Renoir auseinandergesetzt. Sie sind für ihn
allesamt bloss Kuriosa, „genial sein sollende
Schmiererei", Ausgeburten der Reklame: Als er
ein einziges Mal einen bestimmten Künstler als
Vertreter der Moderne herauszugreifen unternahm,
wählte er als solchen „Herrn Heinrich Pudor, alias
Scham". (Reden 1895 S. 91.)

Diese Auffassung der Natur und Kunst soll
Laien und Künstlern aufgezwungen werden durch Ge-
walt. Das ist der Schlussstein des Wernerschen Geistes.

Die Formen der Gewalt, die Herrn von Werner
recht sind, fangen bei Unhöflichkeiten an und
hören in der moralischen Skala bei Etwas auf,
dessen richtiger Name peinlich zu schreiben wäre.

Als der Künstlerbund in Weimar begründet wurde,
hat Herr von Werner folgenden Satz drucken lassen:
„Was wollte er (Leistikow) erwidern, wenn jemand
behauptete, die zur Versammlung vom 4. April
resp. zur Leitung des neuen deutschen Künstler-
bundes berufenen Herren Kunsthändler Paulus,
Direktoren und Angestellte von Museen von
Tschudi, (von mir gesperrt) Gutbier, von Seidlitz,
Dr. Lichtwark, Dr. Pauli, Graf H. Kessler, Dr. Treu,
von Bodenhausen wären nicht einmal Dilet-
tanten, denn sie würden zweifellos nicht die
allerunterste Stufe der Aufnahmeprüfung in irgend-
welcher Kunstschule bestehen können?" (Brief des
Herrn von Werner im düsseldorfer General-An-
zeiger vom 31. Dezember 1903.) Von hundert
Personen, die das in ihrer Zeitung lasen, haben
sicherlich neunzig gemeint, Herr von Tschudi sei
mit in die Leitung des Künstlerbundes eingetreten.
Wo dieser Eindruck Herrn von Tschudi schaden
konnte, wusste Herr von Werner ganz genau.

Aber den sichersten Bundesgenossen für seine
Kunstauffassung sieht Herr von Werner doch noch
immer im Staat. Der Staat soll den „Schönheits-
gedanken", d. h. Herrn von Werners Auffassung
von Natur und Kunst, aufrechterhalten „etwa ähn-
lich so, wie eine internationale Kommission über
die Sicherheit und Zweifellosigkeit des modernen
Metermaasses wacht." Ich habe das schon einmal
zitiert; aber man kann es nicht oft genug wörtlich
lesen. Denn es bezeichnet in einem unnachahmlich
suggestiven Stil die Kunstpolitik, die Herr von
Werner will.

Um dieses Metermass in der Kunst aufrecht-
zuerhalten, ignoriert der Staat bei Aufträgen Künst-
ler wie Liebermann, Klinger und Hildebrand.
Herren von Werners Werke, die der Staat dem
Metermass zuliebe bevorzugt, sind bekannt. Der
Vergleich lehrt, in den Dienst welcher Kunst der
Staat als Polizist geraten kann.

Im Grunde genommen braucht man Nichts
gegen Herrn von Werners „Dogma" zu sagen. Die
beste Kritik der Wernerschen Kunstpolitik sind in
Wirklichkeit die Wernerschen Leistungen. Denn
kein Dogma, mag es noch so schön getauft sein,
kann die Diktatur von Werken wie die „Kaiser-
proklamation", Fries an der Siegessäule oder der
General Alvensleben aushalten.

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