Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

DOI Artikel:
Chronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0375

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHRONIK.

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Der wohlbekannte, vorzugsweise politische, eng-
lische Schriftsteller Sidney Whitman wird im nächsten
Hefte der Contemporary Review Erinnerungen an Franz
v. Lenbach erscheinen lassen, seinen intimen Freund;
sie waren durch Bismarck einander nahegekommen.
Eben durch seine vom Standpunkt eines nicht der Kunst
im allgemeinen nahestehenden Mannes genommene
Betrachtungsweise erweckt dieser Beitrag unseren An-
teil. Das Berliner Tageblatt veröffentlichte von ihm
einige Abschnitte. Wir entnehmen ihnen das Folgende:

Einstmals fragte jemand Lenbach, was seine Forde-
rung für ein Porträt sei. „Das ist ganz verschieden,"
sagte er. „Von 20,000 Mark, die ich fordern kann, bis
hinunter zu 5000 Mark, die ich bereit bin, für das Vor-
recht zu zahlen, ein ausserordentlich interessantes Ge-
sicht malen zu dürfen." Diese Antwort giebt uns einen
Schlüssel zu dem Charakter dieses Mannes. Sie zeigt
seine Gleichgültigkeit gegen das Geld, da, wo sein künst-
lerisches Empfinden geweckt worden war.

In manchen Fällen konnte er thatsächlich fordern,
was ihm beliebte. Doch ging er nie über ein gewisses
Mass hinaus, das beträchtlich geringer war als die be-
rühmten Honorare, die gewisse englische, französische
und amerikanische Künstler mit ihren Werken erreicht

haben. Er erzählte mir, dass er es nicht liebe, einen
Preis zu erlangen, den er für einen aussergewöhnlichen
halte, selbst wenn er gewiss sei, ihn zu bekommen. Er
erwähnte einst den genauen Betrag, den der deutsche
Kaiser für ein Bildnis gezahlt hatte. Er war nicht aus-
nahmsweise hoch. Aber Lenbach meinte, dass es reich-
lich genug sei, dass er gut bezahlt worden sei und dass
er sich nicht darum bemüht haben würde, mehr zu er-
langen.

Es könnte als eine Regel aufgestellt werden, dass
königliche Personen seiner nicht begehrten; gleichwohl
giebt's auch hier Ausnahmen. In den Königen lag wenig,
was ihn anzog; und selbst vom geschäftlichen Stand-
punkt — es ist befremdlich, das sagen zu müssen — waren
sie nicht immer gute Kunden. Sie verlangten für ihr
Geld zu viel und waren schwer zufrieden zu stellen.
Überdies ist die Etikette, die sie umgiebt, sehr lästig.
Lenbach konnte seine Eigenart tagelang unterdrücken,
wenn er grossen Geistern gegenüberstand, aber es war
ihm widerlich, das in der Gegenwart königlicher Mittel-
mässigkeit thun zu müssen.

Sympathie und Antipathie übten auf ihn grossen Ein-
fluss aus. Vor einigen Jahren beabsichtigten ein paar
Freunde Professor Virchows, diesen mit seinem Porträt
zu erfreuen, und sie fragten bei Lenbach mit der Bitte,

375
 
Annotationen