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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Friedländer, Max J.: Die französischen Primitiven
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0503

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15. Jahrhunderts zu etablieren. Wie das zukommen
pflegt, ist man von der Nichtbeachtung zur Ueber-
schätzung gegangen. Ausgezeichnete französische
Kunstforscher, zumeist keine ßilderkenner, sondern
Gelehrte, die sich auf den Gebieten der älteren
Buchmalerei, Skulptur und Kleinkunst erfolgreich
betätigt haben, beteiligten sich an dem Werke. Die
treibende Kraft war Henri Bouchot, der mit leiden-
schaftlich betriebenen Studien über die Anfänge
des französischen Holzschnitts die nationalistische
Kunstforschung begründet hat.

Man Hess die Ausstellung nicht ruhig ihre
Wirkung thun, sondern griff dem Eindrucke vor.
Die Aufsätze in den französischen Kunstzeitschriften
boten weniger die Ergebnisse als die Tendenzen
der Veranstaltung. Der bewundernswerte Katalog,
in der Hauptsache eine Arbeit Bouchots, enthält
eine Fülle vonBelehrung, trägt aber allzuviel patrio-
tischen Eifer in die wissenschaftliche Diskussion
hinein.

Die mit Geschmack arrangierte Ausstellung
war im höchsten Grade nützlich und dankenswert.
Ihr Ergebnis aber nicht so durchaus positiv, rund
und klar, wie die Veranstalter wünschten. Das
Material erschien auch auf dieser Ausstellung relativ
ärmlich und zusammenhanglos. Es erschien künst-
lich bereichert, dadurch dass gewisse Schöpfungen,
deren Platz feststeht, irrtümlich in den neuen Zu-
sammenhang hineingezogen waren, z. B. die zu-
fällig auf französischem Boden bewahrten Werke
des südniederländischen Meisters von Fle'malle.

Die wirklich französischen Werke und Persön-
lichkeiten vom höchsten Range sind rasch genannt.

Einige Tafeln des 14. Jahrhunderts, unter ihnen
als das schönste Werk die runde Scheibe mit der
Beweinung Christi, die Jean Malouel zugeschrieben
wird, erinnern daran, dass die Gotik auf franzö-

sischem Boden reicher als sonst irgendwo geblüht
hat. Der Buchmaler Fouquet, der um die Mitte
des 1 5. Jahrhunderts in Tours thätig war, erschien
mit seinen wenigen bekannten Tafelbildern auf der
Ausstellung. Neues ergab sich nicht.

Von Nicolas Frommt war der Altar mit dem
brennenden Busch aus Aix-en-Provence ausgestellt
und einiges Stilverwandte, von dort auch die herr-
liche Verkündigung aus der Mitte des 1 5. Jahr-
hunderts, von Avignon zwei in grossem Stile ge-
staltete Altartafeln, die Beweinung Christi und die
Krönung Mariae, weniger niederländisch als , die
Verkündigung. Die KrönungMariäe wird auf Grund
einer urkundlichen Notiz Enguerrand Charonton
zugeschrieben. Im weiteren Kreise bekannt wurde
auf der Ausstellung die liebenswürdige Erscheinung
des maitre de Moulins, der zwischen 1480 und
1500 namentlich für die Bourbons thätig war.
Es ist kein Zufall, dass der beste Franzose vom
Ende des 1 5. Jahrhunderts früher für niederländisch
gehalten wurde. Die Beziehung der französischen
Malerei zur niederländischen ; ist überall das
schwierige wichtigste Problem, das von den fran-
zösischen Forschern tendenziös getilgt wird.

Was neben den genannten Bildern zu sehen
war, stand nicht hoch im Range, war zumeist arg
provinziell und widersprach der Auffassung, dass
im 1 5. Jahrhundert über ganz Frankreich eine statt-
liche Malkunst betrieben worden sei. Fast alles
Gute kam aus der Provence und aus Burgund.

Als charakteristisch zitiere ich endlich einen
Satz, mit dem der Katalog ein schönes Tafelbild
im Stile Nicolas Froments würdigt: II n'y a dans
l'oeuvre rien qui puisse la faire conside'rer comme
flamande, eile n'a pas les cöte's pre'cieux et un peu
mesquins de l'ecole du Nord, ni les characteres
theätraux et de'coratifs des Italiens.

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