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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Fred, W.: Der Escorial
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MacColl, Dugald S.: Whistlers Pfauenzimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0125

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imponiert. Vom Tod spürt man hier wenig und
doch liegt Philipp II. hier begraben, der Mann auf
dem Thron, der sich vor dem Todeso unsäglich
gefürchtet hat. Seine Gestalt steht leibhaftig vor
einem, wenn man dann in die paar kleinen Zimmer
hinübergeht, in denen er gewohnt und geherrscht
hat, wo sein Betschemel steht und ein paar wurm-
stichige Reliquien. Eine Türe öffnet sich und man
sieht den Gang, durch den er zur Kirche eilte, in
den Chor hinauf, wo er unter den Klosterherren
betete, und man sieht die wunderbare Scene seines
Sterbens, wie er sich immer näher zum Hochaltar
tragen liess, als das Leben aus seinen Adern floss,
und wie er schliesslich fast in der Kirche selbst den
letzten dünnen Seufzer tat. An dieser Stelle, wo
kein Marmor und keines Renaissancekünstlers Pracht
zu sehen ist, spürt man Spanien.

Dann noch: wenn man durch die Klostergänge

geht, in der einsamen Bibliothek sitzt, von einer
alten längst nicht mehr geöffneten Kirche im Hof
mehr Freude hat als an der grossen Kuppel und
schliesslich: vordem Brunnen der Evangelisten, einem
Renaissancebau, wie man ihn vielleicht auch in
Italien findet, der aber hier durch die merkwürdige
Farbe der grünen Vegetation, des fliessenden Wassers,
durch den schiefrigen Glanz des Granits eine sonder-
bare Stimmung bekommen hat.

Der königliche Palast ist, wie gesagt, später er-
richtet worden, er zeigt den Glanz höfischer Art des
17. und 18. Jahrhunderts, und ein paar Gobelins
von Goya, die man aber auch anderwärts wieder-
findet, sind seine einzige künstlerische Auszeichnung.
Was vom Escorial merkwürdig und ewig ist, das
haben nicht Künstler geschaffen, sondern die zag-
hafte und zum Grossen und Weiten strebende Seele
eines mächtigen und innerlich kleinen Mannes.

WHISTLERS PFAUENZIMMER

VON

D. S. MAC COLL

[M Salon Obach in Bondstreet
war in dieser Saison das be-
rühmte Pfauenzimmer, das
Whistler für Herrn Leyland
gemalt hatte, ausgestellt. Nach
Herrn Leyland 's Tode war dessen
Sammlung im Jahre 1892 ver-
kauft worden und das ganze
Interieur, das für das Speisezimmer eines vor-
handenen Hauses komponiert war, war in seiner
Gesamtheit in das Haus eines neuen Eigentümers
gebracht worden. Die Herren Obach ermög-
lichten es, das ganze Arrangement ungeändert dem
Publikum in ihrer Galerie zu zeigen; von dort
aus wird es in eine Sammlung jenseits des Oceans
übergehen.

Die Art und Weise, wie dies Interieur zustande
kam, gehört sowohl der Geschichte wie der Legende

an. Die Hauptfakten dabei sind folgende: Herr
F. R. Leyland, ein reicher Rheder und fürstlicher
Sammler von Kunstwerken, ein Mann von seltenem
Kunstverständnis und ausserordentlicher Klarheit
in der Wahl seiner Anschaffungen, bezog ein Haus
in South-Kensington und Hess es sorgfältig aus-
statten, um seine Kunstschätze aufzunehmen. Ein
Teil der Ausstattung wurde dem wohlbekannten
Architekten Herrn Norman Shaw anvertraut. Das
Esszimmer aber fiel einem anderen Baumeister,
einem gewissen Jekyll, zu, der keineswegs als
Künstler mit Shaw auf eine Stufe zu stellen war
und der noch der tastenden Periode angehörte, in
der die wiederbelebte Gotik mit anderen Stilen
im Kampf lag. Das Esszimmer sollte hauptsächlich
zum Aufstellen einer herrlichen Sammlung von
blauem Porzellan dienen; es wurde zu diesem
Zwecke mit Regalen versehen.

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