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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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mal der Dichter und Musiker, der deutschen Schauspiel-
kunst glücklichen Reformator, der die Dramen und
Gestalten unseres Schiller in unübertroffener Wahrheit
mit dem grössten Erfolge den Herzen der Deutschen
nahe gebracht hat" und den Bildhauer Rodin mit der
Ernennung zu Ehrendoktoren ausgezeichnet.

Die Widmung an Rodin lautete:

Viro perillustri / Augusto Rodin / Parisino / Statu-
arum artifici clarissimo / Qui pulcritudinem corporis
humani praesertim agitati et ad varios affectus accomo-
dati / Novo et singulari modo animo concepit manu
efrinxit / Figufas communitate actionis coniunctas / Ad
vitae multiplices rationes ingeniosissime revocavit/For-
mas et motus quales in luce apparent imitatus / Veri-
tatem naturae felicissima arte illustravit.

Sie macht einen glänzenden, klaren Eindruck, denn
nichts ist charakteristischer, als von Rodin auszusagen,
dass er die Schönheit des menschlichen Körpers insonder-
heit in der Bewegung und als Träger seelischer Stim-
mungen in neuer und einzigartiger Weise erfasst habe,
„Gestalten und Bewegungen so wie sie im Lichte er-
scheinennachbildend". Ganz vorzüglich! Und wie schön
ist die Ehrenerweisung an Rodin überhaupt, an diesem
Ort, der dicht bei der Stadt liegt, in der jüngst die
Shakespearestatue eines schlechten Bildhauers enthüllt
wurde. Man braucht übrigens weder von Weimar noch
von Jena zu befürchten, dass hier ein Ehrentitel für
Otto Lessing jetzt möglich wäre. Die einmalige Ent-
gleisung in Weimar, der unglückliche Auftrag, wird
sicherlich bedauert. Und eine herrliche Figur von Rodin
schmückt das Weimarer Museum.

Von Rembrandt ist die „Gefangennahme Simsons"
aus der Schönbornschen Galerie für 330,000 Mark in
den Besitz des Städelschen Instituts zu Frankfurt a. M.
übergegangen.

Im „Dresdener Anzeiger" hat die Notiz gestanden,
dass dem Delegiertentag der allgemeinen deutschen
Kunstgenossenschaft die Professoren Liebermann, Uhde
und von Kalckreuth beigewohnt hätten. Auf das Irr-
tümliche dieser Mitteilung muss aus dem Grunde hin-
gewiesen werden, weil eine Berichtigung, die der dres-
dener Anzeiger brachte, doch nicht klar genug erkennen
liess, dass diese Künstler nicht zugegen gewesen waren.
Auf der Versammlung wurde eine Scheidung vom
deutschen Künstlerbund beschlossen, ohne dass sie eine
feindselige Absicht bedeuten soll; Mitglieder des Bundes
dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder der Genossenschaft
sein.

•SS-

Einer der schönsten Köpfe, die Böcklin gemalt hat,
ist „die Melancholie", von 1872. Wir sahen dieses Bild
mit grossem Vergnügen bei Frau Sarasin in Basel. Jetzt
ist es von den Erben dem basler Museum überwiesen
worden. H.

KUNSTGEWERBE

Bei Wertheim ist eine neue grosse Interieur-Aus-
stellung eröffnet worden. Die Räume, die in über-
raschender Inscenierung hier angelegt und eingebaut
wurden, zeigen ein gutes Niveau,ruhige, sichere Zweck-
gestaltung und eine glückliche schmuckhaft wirkende
Ausgestaltung der konstruktiven Funktionen. Einfach-
heit ohne Nüchternheit, Schmücken ohne Prunksucht,
Komfort und gesammelte Stimmung, das erkennt man
als die leitenden Tendenzen.

So findet man in fast allen Zimmern ausgezeichnete
Sitzmöbel von tiefem körpergerechtem Bau.

In der Möbelarchitektur, in Schränken, Sofas, Sesseln
überwiegen die Kastenformen. Mit Eifer und Liebe
wird das Holzmaterial zu einer seinem Wesen ent-
sprechenden Wirkung gebracht. Der organische Flächen-
schmuck der Intarsia ist vorherrschend. Nicht bildlich,
sondern als farbiges Holzmaserungsspiel, oder in den
einfachstengeometrischenMustern, wie inPeterBehrens'
Schlafzimmer (von reissbretthafter Sauberkeit) und in
seinem ernsten durch die mit den Intarsiakreisen korres-
pondierenden Verglasungen aufgehellten Arbeitszimmer,
in Anton Hubers schmuckem Speisezimmer in heller Eiche
mit Oliven-Einlagen, inCurtStoerringssehredlemMusik-
gemach aus seidig alabaster-glänzender schwedischer
Birke, das durch die Auslese schöner Maserungsschnitte
„Kunstformen der Natur" mit feinem Geschmack sich
dienstbar machte. Zwei andere Intarsia-Variationen
findet man bei Künstlern des Auslandes. Berlage der
Holländer, der Architekt der amsterdamer Börse, wählt
ein an zackige Battiermuster erinnerndes Motiv und
Bailli Scott legt in das schwarze Birnbaum seiner Kredenz
Zierstücke ein, die rotweiss gefelderte Schmetterlings-
formationen haben, aber nicht naturalistisch, sondern
in einer Art heraldischer Stilisierung, etwas kühn aber
gelungen. Bei den Beleuchtungskörpern überwiegt das
schottische Prinzip der freihängenden möglichst einfach
behandelten elektrischen Birnen, entweder in Laternen-
form oder originell bedacht. Sehr gelungen scheint, dass
Stoerring in seinem Alusikzimmer den freien Raum
unter der Decke wahrt und nicht durch Kronen und
Gehänge zerstreut. Ihre silberne Fläche, in der die
Töne aufschwebend verklingen, ist mit matthellen
Glaslinsen gesäumt, durch die das hinterlegte Licht
schimmert. Die Beleuchtung wird dadurch, dem Charakter
des Raumes entsprechend, eine schwingende: Schall-
und Lichtwellen fluten zusammen.

Gelungen sind meist die Wandbehandlungen mit

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