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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Lithographien von P. Bonnard
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0219

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graphienBonnards gesehen, nicht jetzt herausgegeben,
schon 1902, die ich im ganzen sehr liebenswürdig
finde.

Es sind etwa hundertundfünfzig ^Illustrationen
zu „Daphnis und Chloe", dem Roman des Longus;
in einer Ausgabe, die mit allen Vorzügen des Pa-
piers, der Anordnung und mit schönen Lettern
geschmückt, bei Ambroise Vollard erschienen ist.

Der Roman des Longus besteht aus hübschen
Schilderungen des Hirtenlebens, die mit Erzählungen
aus der Sagenwelt abwechseln. Daphnis und Chloe
sind Findelkinder. Sie werden, obgleich die beiden
Familien, in denen man sie liebevoll pflegt, ihnen
eine höhere Laufbahn gönnen möchten, auf An-
ordnung von im Traum erschienenen Nymphen
zum Hirtendasein erzogen. Pan und die Nymphen
begleiten ihren Weg. Ihre Existenz wird durch
Abenteuer unterbrochen, die einen guten Ausgang
nehmen, auch dann noch, als das Schicksal es am
bösesten mit ihnen zu meinen scheint, am Ende. Der
Herr des Guts, auf dem man Daphnis fand, ein Bürger
von Mythilene, entdeckt in dem herangereiften Jüng-
ling seinen Sohn, dieser wagt die Liebe einzugestehen,
die er zu der armen Hirtin hat, er empfängt sie
als Braut, man erkennt dann, dass auch Chloe das
Kind eines vornehmen Bürgers von Mythilene ist,
die Beiden wünschen aber aus dem Stadtleben sich
wieder zurückzuziehen, von ihren vornehmen Eltern
getrennt. Sie feiern ihre Hochzeit auf dem Lande,
umgeben von den Heerden, die sie so lange ge-
hütet haben, mit den Pflegeeltern an ihrem Tisch
und mit Huldigungen an Pan und die Nymphen.
Unter den eingestreuten Erzählungen fällt viel-
leicht eine als hineingetragen auf: die Erzählung
von der Echo. Im Uebrigen hält das Interesse an
dem anmutigen Roman fast bis zum Schlüsse an,
der durch den unvermeidlichen Ausgang, dass die
Auflösung der Geschichte der Chloe dem Schicksal
des Daphnis genau parallel geht, allerdings etwas
zu kindlich ist.

Wie hat nun Bonnard das Hirtengedicht ge-
staltet? Man nimmt wahr, dass er, der, wenn er
selbständig ist, in übertragenem Sinne Mosaik-
bilder malt, dem das Müssen in seiner Kunst fehlt,
der nur ein geistreicher Empfänger und Sammler
ist — an Longus' Roman einen Halt gewann.

Da er sich an das Buch eines Andern anschloss,

verlangt man ja auch nicht, dass er völlig jene
Eigenheit offenbare, die sonst einem Maler gehören
muss; einem Illustrator gestattet man stets schon
eher, dass er von seinem Geiste Gebrauch macht.

Bei dieser griechischen Geschichte wird man
zunächst begierig, zu sehen, in welcher Form sich
Bonnard mit den mythologischen Wesen abge-
funden hat? Man wird an Roussel denken, dessen
Form sehr einheitlich ist. Bonnard hat, wie ich
sagte, solche Einheitlichkeit nicht, er tastet. Er tastet
nicht so sehr, als dass er als Akademiker, der vielen
Reizungen offen ist, auf verschiedene Möglich-
keiten der Darstellung eingeht. In dem Roman
treten Nymphen und Amor auf. Bonnard hat sie
zuerst, auf Seite 15, so dargestellt, wie es Baudry
gemacht haben würde; er zeichnet sie mit Bewusst-
sein nach hübschgebauten tatsächlichen Akademie-
modellen, von denen eines sogar die pariser Frisur
beibehalten hat. Der Dekorateur des pariser Opern-
hausfoyers hatte dieselbe Nuance, den Modellen,
die er für seine griechischen Motive benutzte, ab-
sichtlich Zutaten aus unserer Gegenwart zu lassen.
Auch der Amor auf diesem Blatt Bonnards ist ein
kleiner Junge aus dem Modellsteherzirkel. Das
Raffinement Bonnards wie Baudrys liegt bei solchen
Vorführungen nur darin, nicht zu verhüllen, dass
sie sich der Berufsmodelle bedienen, sondern im
Gegenteil, zu zeigen, dass sie nichts als Berufsmodelle
nehmen. Das ist das perverse Vergnügen, das sie
sich machen. Ihre Feinheit beabsichtigen sie nur
in der Weise zu offenbaren, wie sie ihre Modelle
zeichnen. Da unterscheidet sich denn Bonnard von
Baudry; er hört früher auf; er liebt die beaute de
diable der Skizze; er skizziert. Er hat mehr Non-
chalance — und um diese Nonchalance ist er jünger
als Baudry.

Das zweite Blatt, das Bonnard in seinem
Daphnis- und Chloebuche der ausserirdischen Welt
gewidmet hat, finden wir genau 100 Seiten später.
Hier erscheinen die drei Nymphen, die sich der
Chloe seit ihrer Geburt annahmen, dem Daphnis.
Der Dichter sagt jetzt von ihnen: sie erschienen
ihm in der Art schöner und grosser Frauen, halb-
nackt, die Füsse ohne Schuhe, die Haare aus-
gebreitet, in allem den Bildern ähnlich, d. h. ihren
Reliefdarstellungen. Und bei dieser Lithographie

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