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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0233

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geschlossenen Raum, im Zimmer benutzen. Er verfolgt
uns mit seinen Gartenarchitekturen! Diese Form im
geschlossenen Raum ist so taktlos, als wenn er Palast-
fenster in einer Gartenlaube anwendete!

Über die im ganzen ungemein wohlgelungene Aus-
stellung selbst stehe hier noch kein Wort. Glanzpunkte
sind die alten wiener, hamburger und berliner Abtei-
lungen, die Ausstellung Caspar David Friedrich, eins von
den Interieurs von Kersting (das wir zuerst in „Kunst
und Künstler" gebracht haben), der wundervolle Künst-
ler Wasmann, den Bernt Grönvold aus der Vergessen-
heit erlöst hat, und der Trübnersaal.

Der Kaiser hat der Eröffnung nicht beigewohnt.

*

Am Tage darauf, am 25;., fand die Eröffnung der
Ausstellung von Werken alter Kunst aus Privatbesitz
im ehemalig gräflich Redernschen Palais unter den
Linden statt, eine Ausstellung, die vom Kaiser Fried-
rich-Museums-Verein arrangiert ist. Es sind nur Kunst-
werke zur Ausstellung gekommen, die Mitgliedern des
Vereins gehören, hauptsächlich Bilder — aus allen
Schulen, die holländische des 17. Jahrhunderts voran,
Frans Hals z. B. —, aber auch Skulptur und Kleinkunst.
Nachdruck ist darauf gelegt worden, dass möglichst
solche Werke vorgeführt wurden, die der Verein bei
früheren Anlässen noch nicht gezeigt hat. Man sieht,
wie sich der berliner Kunstbesitz seit der Renaissance-
Ausstellung im Uhrsaal der Akademie im Sommer 1898
vermehrt hat. Mit Wehmut sieht man die Ausstellung
in den schönen Räumen des Redernschen Palais, das bald
nach dem Schlüsse der Veranstaltung niedergerissen
werden wird.

■SS-

Paul Meyerheim hat seine Erinnerungen an Menzel
im Januarheft der deutschen Rundschau fortgesetzt.
Wir freuen uns, wenigstens einige Stücklein aus diesen so
hübschen Erinnerungen unseren Lesern zu übermitteln:

Es war in der Zeit, als eine Rundfrage umging, ob
das Zeichnen nach Gips nützlich oder schädlich sei.
Humorvoll antwortete Böcklin: „Einem Esel kann auch
das Gipszeichnen schädlich sein." Für seine Weise genau
so charakteristisch hatte aber Menzels Antwort gelautet:
„Alles Zeichnen ist gut, Alles zeichnen noch besser."

„— In seinem Paletot hatte Menzel acht Taschen, die
teilweise mit Skizzenblockbüchern gefüllt waren, und
er konnte es nicht begreifen, dass es Künstler gebe, die
den kleinsten Ausgang machen, ohne ein Zeichenbuch
in der Tasche zu haben. In seinen Röcken war auf der
linken Seite unten eine besonders grosse Tasche an-
gebracht, in der ein Lederetui gerade Platz hatte, das
ein Blockbuch, ein paar Estampen und Radiergummi
barg. Mit dem Papier ging er äusserst sparsam um;

jedes Eckchen wurde ausgenützt. Es giebt Blätter, auf
denen ein grosses Gesicht gezeichnet, dessen leere Backe
mit einem andern Kopf gefüllt ist, und wenn ein Ge-
sichtsteil wegen des kleinen Formates ihm nicht recht
gelungen schien, so zeichnete er denselben noch ein
paarmal grösser auf die freien Stellen desselben Blattes.
Er nannte das, einen Gegenstand „durchräsonnieren".
Wenn er beabsichtigte, eine Stelle mit dem Gummi fort-
zureiben, so bediente er sich eines kleinen Stückchens
harten Papieres, in dessen Mitte ein rundes Loch ge-
schnitten war. Dieses Loch legte er auf die verfehlte
Stelle, die nun allein mit dem Radiergummi entfernt
wurde, ohne dass die angrenzenden Partien darunter
litten. Niemals hat er auf seinen Werken irgend einen
Gegenstand direkt nach der Natur auf das Bild gebracht.
Selbst wenn er eine Eierschale oder ein Brief kuvert an-
zubringen hatte, so wurden diese erst gezeichnet und
nach der Studie auf das Werk übertragen. Sein Wahl-
spruch war: „Nulla dies sine linea", und er hat ihn bis
zu seinem Ende mit eiserner Konsequenz befolgt. —

Als Meissonier im Jahre 1862 Berlin besuchte, hatte
Menzel in seinem damaligen Atelier in der Marienstrasse
ein grosses Werk in Arbeit, das leider niemals fertig ge-
worden ist: Friedrich der Grosse mit seinen Generalen
vor der Schlacht bei Leuthen; auf der zerstampften und
zerfahrenen Schneedecke sieht man in der Ferne fast
nur als Silhouette gegen den grauen Himmel die Armee
vorüberziehen. Vorn stehen, in dicke Mäntel eingehüllt,
mit verfrorenen Gesichtern, zwischen Birkenstä'mmen
einige Generale am Feuer, nur eine Stelle im Bilde war
leer geblieben; hier sollte der grosse König hingemalt
werden, und dann wäre das wundervolle Werk vollendet
gewesen. Meissoniers Begeisterung für dieses Bild fand
keine Worte, eine derartige Anschauung von Richtigkeit
der Farbe, Stimmung und Technik war damals in Paris
noch gänzlich unbekannt. Als er nach Paris zurückkehrte,
begann er sofort, seinen Rückzug Napoleons aus Russ-
land zu malen: ebenfalls verfrorene Generale, eine
Armeesilhouette auf grauem Himmel und denselben
verschneiten, zerfahrenen Boden, wie auf Menzels Bilde.
Man hat sich viel den Kopf darüber zerbrochen, weshalb
Menzel sein „Leuthen" nicht vollendete, obgleich Kaiser
Wilhelm und Kaiser Friedrich ihn dringend darum baten.
Wohl ist er in spätem Jahren noch einmal an diese Leine-
wand gegangen, aber nichtmitPinselundPalette, sondern
mit dem Kratzmesser, um einige Figuren, die ihm nicht
zusagten, spurlos zu entfernen; und auch in diesem Zu-
stande wird das Gemälde eine der grössten Schöpfungen
der Historienmalerei bleiben. Der wahre Grund aber,
weshalb es nicht vollendet wurde, ist wohl der, dass
vorzeitig Meissonier alle Pointen dieses Bildes „nach-
empfunden" hatte, um sein allerdings schönstes Bild zu
malen. Erst im Jahre 18 6y setzte ich in Paris die Be-
kanntschaft mit Meissonier fort. Ich hatte ihm von dem
Soldatenwerk Menzels gesprochen und musste ihm das-
selbe aus Berlin kommen lassen; es war in meiner

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