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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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nur, um eher eine Vorstellung zu erwecken, als es den
blossen Worten gelingen würde, nicht um etwa Gleich-
heit oder gar Abhängigkeit zu betonen. —

Ein Teil der Räume war dem Nachlass des unlängst
verstorbenen Landschafters Ulmer vorbehalten worden.
Seine Bilder schienen mir beweisen zu wollen, dass es
doch etwas in der Kunst giebt, was man lernen und lehren
kann. Ulmer hat sich unsäglich abgemüht um eine innere
Vorstellung, eine Welt der Anschauung, auf die Lein-
wand zu bannen, ohne dass ihm recht eigentlich Glück
beschieden gewesen wäre. Er hat fast nur für sich ge-
arbeitet und sich abgequält mit den Mitteln. Wie viele
Meister hätten ihm aus der Erfahrung heraus im Hand-
umdrehen das anäusserlicherTechnikbeibringenkönnen,
was er selbst gewissermassen in der kurzen Zeit seines
Lebens nicht wiedererfinden konnte; sie hätten ihn so in
die Lage versetzt, das was sein Innerstes erfüllte aus-
sprechen zu können, während er es nur unvollkommen
herstammelte.

Zwischen seinen Bildern hatte man ein Gemälde auf-
gehängt, das sie alle miteinander völlig in Grund und
Boden schlug. Die Falkensteine von Georg Lübrig, ein
meisterhaftes Bild! Selten habe ich etwas so treffliches
an Atmosphärenmalerei gesehen. Die Komposition, oder
besser gesagt, die Wahl des Naturausschnitts war dabei
ebenso fesselnd wie der packende Vortrag.

H. W. S.

AUS WIEN
Das vor kurzem eröffnete Grabenlokal der Galerie
Miethke ist für unser Kunstleben deswegen von Be-
deutung, weil nun neben den alten, vornehmen Räumen
in der Dorotheergasse ein zweiter, dem flutenden Ver-
kehr mehr zugewendeter Salon vorhanden ist, der nach
gleichen künstlerischen Grundsätzen geleitet wird. In
dem grossen, schwarz und weiss gehaltenenRaume stellte
als erste die „wiener Werkstätte" aus. Es wurde in
diesen Blättern schon öfters über Josef Hoffmann und
Kolo Moser gesprochen, so dass eine Charakteristik ihrer
Persönlichkeiten und Werke umso eher unterbleiben
kann, als sich in ihren kunstgewerblichen Arbeiten aus
letzter Zeit keine nennenswerte Änderung konstatieren
lässt. Besonderes Interesse erregte das Modell eines
Hauses, das sich ein brüsseler Kunstfreund von Professor
Hoffmann bauen lässt, und das eine der besten Lösungen
intimer und doch würdiger Architektur zu werden ver-
spricht. Die zweite Ausstellung war Vincent van Gogh
gewidmet, dem holländischen Pastorssohn, den ein über-
mächtiger Drang zu wirken so ausschliesslich wie nur
die grossen Schöpfer der Menschheitsgeschichte erfüllte
und dem die Malerei vielleicht nur ein zufälliger, jedes-
falls schmaler Ausfluss für das Meer seiner brausenden
Gedanken und Gefühle wurde. In etwa vierzig Bildern
aus seiner pariser Zeit, aus der von Arles und von

Auvers, war das Wesen seiner genialen Persönlichkeit zu
erkennen, auch was er anderen Meistern dankte und
für die moderne Malerei bedeutet. — Bei Miethke in
der Dorotheergasse wurde gleichzeitig das tragische
Schicksal des wiener Malers Anton Romako (1832—1889)
wieder lebendig. Nach ein paar römischen Jahren voller
Glanz und Abenteuern, kehrte er nach Wien zurück als
Makart seine Herrschaft begann, wurde hier verhöhnt
und verlacht, schliesslich beiseite geschoben und endete
durch Selbstmord. Ungewöhnlich wie sein Leben ist
seine Kunst. Von seinem Lehrer Carl Rahl hatte er die
Verbindung venezianisch warmen Kolorits mit römisch
strenger Zeichnung als Ziel ansehen gelernt. Es sind
jedoch in seinen frühen Bildern Partien, die in der
Leidenschaftlichkeit der Farbe und Bewegung eher an
Salvator Rosa denken lassen. Später glaubt man die ver-
schiedensten Einflüsse in seinen Bildern zu spüren. Man
vermeintDecamps undFromentin, dann wieder Courbet,
Stevens und Moreau dahinter zu sehen, von alten
Meistern Mantegna und Botticelli. Die Art der Bilder
scheint oft eine so mannigfache, als könnten sie nicht
von einem Maler herrühren. Dann erkennt man aber,
dass es falsch wäre, hier von Abhängigkeit zu sprechen,
weil die heterogensten Dinge im Feuer einer starken
Individualität zur Einheit verschmolzen wurden. Die
gegenwärtig ausgestellte Kollektion des münchener
Freiherrn Hugo von Habermann zeigt eine geschmack-
volle Palettenkunst innerhalb ermüdend enger Grenzen,
eine mondäne Eigenart, die zur Manier neigt.

Durch die Ausstellung der münchener Künstlerver-
einigung „die Scholle" in der Sezession wurde, wer es
nicht schon früher wusste, belehrt, dass es ein anderes
ist, für den Buchdruck zu zeichnen, ein anderes, Bilder
zu malen. Aber die diese Lehre gaben, befolgten sie
nicht: ihre Bilder sind zumeist nur vergrösserte Zeich-
nungen. Man kann daher den Leistungen und Ten-
denzen der „Scholle" künstlerische Bedeutung nicht
zusprechen. Und beobachtet man vollends, wie im Bilde
zum Fehler wird, was Vorzug der Zeichnung gewesen,
dann bedauert man noch mehr die Fülle des zu Unrecht
verwendeten Talentes und Temperaments. Bei den
Bildern von Fritz Erler, Reinhold Max Eichler und
Adolf Münzer ist die Nähe der Illustration immer zu
spüren; malerisch geschlossener wirken Max Feldbauer,
Walter Püttner und Leo Putz. Von den jüngeren Mit-
gliedern hat der Landschafter Gustav Bechler vielleicht
das Zeug zu einem süddeutschen Leistikow.

Im Hagenbund sind „sächsische Künstler" eingezogen.
Lauter Dresdener, mit Gotthard Kuehl an der Spitze,
über dessen reife Künstlerschaft nichts Neues gesagt
werden könnte. In der Künstlergruppe „die Elbier"
fällt der aus Holstein stammende August Wilkens auf,
der in kraftvollen und ehrlichen Bildern friesische
Schifferfrauen und Interieurs zeigt; ferner der Zügel-
schüler Emanuel Hegenbarth, der sich von dem schwer
entrinnbaren Einfluss seines Lehrers zu befreien

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