Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

DOI Artikel:
Zu dem Kopf eines Jünglings von Emil Janssen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0533

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZU DEM KOPF EINES JÜNGLINGS VON EMIL JANSSEN

Welches waren die Gesinnungen Emil Janssens?

Ludwig Richter schreibt in seinen „Lebens-
erinnerungen eines deutschen Malers": „In der
ganzen Künstlerschaar deutscher Zunge, die hier
(in Rom) sich zusammengefunden hatte, wogte und
walkte ein Strom der Begeisterung, der nach einem
gemeinsamen Ziele hindrängte, und dem Keiner
sich entziehen wollte noch konnte; an diesem neuen
Leben, diesem Frühlingswehen, nahm ein Jeder
teil nach dem Massstab seiner Kräfte; es blühte
das edelste wie das schwächste Kraut.

Die früher verschmähten, ja fast verschollenen
grossen Maler der vorraphaelischen Zeit waren jetzt
erkannt, bewundert und studiert, und in ihrem
grossen stilvollen strengen Sinn suchte man die Natur
zu erfassen; es war recht eigentlich, nachdem der
Zopf überwunden, eine Rückkehr zur Wahrheit,
nicht zur blossen Wirklichkeit der Natur, eine
Wiedergeburt aus dem Geiste der ältesten grossen
Kunst.

Wie in Strassburg Goethe der erste war, dem
zu guter Stunde die jugendlichen Augen aufgethan
wurden, den Geist Erwins v. Steinbach in seinem
Riesenwerke zu erkennen, während seine Zeit ohne
Verständnis daran vorüberging, ja es als barbarisch
bezeichnete, also erging es auch mit den grossen
deutschen Malerwerken, vom kölner Dombilde bis
zu Dürers köstlichen Schöpfungen, die man als
„gotisch" belächelte, und an denen man höchstens
die mühsame Arbeit bewunderte, bis Friedrich
Schlegel in seinem Buche über christliche Kunst
auch diesen Geist erschloss, den tiefinnigen und
sinnigen, den deutschen und christlichen, welcher
in diesen Bildern lebt. Und gut deutsch und ehr-
lich fromm wollten alle diejenigen jungen Künstler
auch sein, in denen ein edler Geist lebte." Es heisst
in einer Schilderung der Strömung, die Richter in
den ersten zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts
vorfand: „Man kann sich denken, wie schmollend
einige Alte, welche noch aus Asmus Carstens' Zeit
stammten und ganz in Antike aufgegangen waren,
dieses Treiben (und Uebertreiben) ansahen. Die

alten biederen Heiden mussten das ,Nazarener-
wesen' hassen in seinen Spitzen und verachten in
seinen törichten Extravaganzen."

Es kommen ferner in dieser Autobiographie Sätze
vor wie: „Daheim lagerte noch frostige Winter-
kälte auf den absterbenden Kunstgefilden, und nur
einzelne Zeichen waren es, die mich an einen kom-
menden Frühling mahnen konnten. Auf meiner
Wanderschaft nach Rom hatten sich Stimmen und
Zeichen gemehrt: Schlegels und Wackenroders
Schriften in Innsbruck, Girolamo dai Libri in
Verona, endlich die köstlichen alten Florentiner."
Wenn wir nun noch die Sätze anfügen, mit denen
Richter des wundersamen Einflusses von Cornelius
gedenkt: „Ende des Monats unternahm ich noch
einen mehrtägigen Ausflug nach Berchtesgaden.
Als ich Abends im Wirtshause sass und das Fremden-
buch mir vergelegt wurde, las ich mit besonderer
Bewegung: ,P. Cornelius, Direktor der münchener
Kunstakademie, am 18. Juli eine Nacht hier ge-
wesen.' Ich hatte ja noch gar Nichts von Cornelius
gesehen, wohl aber von jüngeren Genossen gehört,
er sei der gewaltige Chorführer und Bahnbrecher
einer neuen, grossen Richtung" — dann ist unser
Eindruck gegliedert, wir wissen, welches die Ge-
sinnungen Janssens sind!

Malerisches Sehen im Zusammenhang mit der
Einwirkung des Stils von Cornelius und durch Cor-
nelius hindurch beeinflusst durch den Stil der frühen
Florentiner: das zeigt sich in dem herrlichen Jüng-
lingskopf, den wir aus der Sammlung Bernt Grön-
volds reproduzieren und der noch ganz unbekannt
ist. Malerisches Sehen fast alleine, erstaunliches male-
risches Sehen, doch ganz leise berührt durch den
Stil von Cornelius (und hierdurch von Wasmanns
Sehen unterschieden, welches nichts von Cornelius'
Stil enthält) offenbarte sich in Janssens Studie eines
männlichen Aktes, die ebenfalls von Bernt Grönvold
entdeckt worden war und in der Jahrhunderts-Aus-
stellung unser Entzücken erregte — sie wurde irr-
tümlich früher für ein Wasmannsches Werk ge-
halten. Schliesslich ««rNazarenertum findet man auf

525
 
Annotationen