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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Chronik
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CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Der alte, jetzt im 83. Lebensjahre stehende Jozef
Israels hat eine warme, herzliche, gemütreiche Würdi-
gung Rembrandts niedergeschrieben, von der ein Bruch-
stück auch in der Vossischen Zeitung veröffentlicht
wurde. Der Altmeister schrieb: „Es war so etwa gegen
die Hälfte des vorigen Jahrhunderts, dass ich nach
Amsterdam ging, um mich unter der Leitung des damals
sehr renommierten Porträtmalers Kruseman zum Maler
auszubilden. Bald erhielt ich Zutritt in das Atelier meines
Meisters und sah mit Bewunderung die Porträts von
vornehmen Personen Amsterdams, an denen er gerade
arbeitete. Die Rosafarbe der Gesichter und die feine
Behandlung der Stoffe, die sich manchmal vor einem
Hintergrund mit dunkelrotem Sammet abhoben, ge-
fielen mir sehr. Als ich den Wunsch ausdrückte, einige
dieser Porträts kopieren zu dürfen, wurde mir dies von
meinem Lehrmeister rundweg abgeschlagen. ,Wenn Du
kopieren willst,' antwortete er, ,dann gehe nach dem
Museum im Treppenhaus.' Ich wagte nicht, es einzu-
gestehen, dass dies eine grosse Enttäuschung für mich
war, ich war so grasgrün aus der Provinz gekommen
und die alten Meister waren für mich noch ein Geheim-
nis, denn ich konnte in den alten Gemälden und in

dieser dunkeln Leinwand die Schönheit nicht entdecken,
die von jedermann gerühmt (wurde, für mich waren die
Ausstellungen in ,Arti' viel schöner und ich bewunderte
besonders Pienemann, Gallait, Corot und Kukuk. Nicht,
als ob ich so viel rückständiger gewesen wäre als die
andern, aber es fehlte mir Studium und Übung, ohne
die man das Fremdartige und so ungemein Künstlerische
der holländischen Meister nicht begreifen kann, und ich
behaupte heute noch, dass man, mag man noch so in-
tellektuell sein, diese grossen Alten nicht nur so ohne
weiteres gemessen kann, wenn man sie nicht viel und
oft gesehen und sich in ihre Kunst eingelebt hat. Es
dauerte lange, ehe ich den Mut hatte, mich mit Farbe
und Pinsel nach dem Heiligtum zu begeben, aber, nach-
dem ich eine Zeitlang viel nach der Natur gemalt, viel
Nacktstudien und noch viel mehr Stillleben gemacht
hatte, ging mir ein Licht auf. Ich begriff, dass es nicht
die gefällige zarte Behandlung des Stoffes sei, was er-
reicht werden müsse, sondern dass ich zuerst auf das
Relief der Gegenstände, auf die Haltung der Figuren
in ihrem Verhältnis zu Licht und Schatten, ihre Ge-
bärden und Bewegungen zu achten hätte. Mit dieser
Überzeugung besuchte ich das Treppenhaus. Hier wurde
mir allmählich deutlich, worin die Schönheit und Wahr-

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