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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 2
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Henry van de Velde
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0061

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HENRY VAN DE VELDE

er Versuch, eine ausreichende
Vorstellung von der Bedeutung
van de Veldes zu geben, wird
• erschwert, weil ein unbedingter
Anteil für die Bestrebungen
dieses Künstlers fast nirgends
vorhanden ist. Die Argumenta-
tion trifft auf so viele vorsichtig oder heftig, spöt-
tisch oder respektvoll, pedantisch oder klug for-
mulierte Aber, dass sie sich verwirren würde, wollte
sie auf alle Einwände auch nur flüchtig eingehen.
Wenige nur halten es der Mühe wert, dem Rätsel-
vollen in dieser aufreizenden Persönlichkeit selb-
ständig nachzudenken. Es ist nicht böser Wille,
dass ein bedeutender Künstler in dieser Weise von
den verschiedenartigsten Standpunkten aus mit Un-
lust betrachtet wird. Eine Allgemeinheit kann nicht
böswillig sein, weil niemals eine Verabredung zu-
stande kommen könnte. Sie sträubt sich in diesem
Fall gegen das Problematische in der Erscheinung
van de Veldes, das insofern vorhanden ist, als die
Künstlerrechte dieser genialischen Natur sich dem
Laien nicht unmittelbar aus ihren Werken beweisen

lassen. Auf die Frage, ob er ein Maler sei, ein
Bildhauer, Architekt oder nur ein Kunsthandwerker,
muss, mehr oder weniger bedingt, jedesmal mit
einem Nein geantwortet werden. Und auf die dann
folgende, etwas überlegen höhnend ausgesprochene
Frage, was er nun eigentlich sei, lässt sich mit einem
Wort von bequemem Kurswert auch nicht ant-
worten. Dass die Einordnungsmöglichkeit in längst
abgegrenzte Gattungsgebiete gefordert wird, ist
nicht pedantisch, wie es scheinen mag. Werke der
Bildenden Kunst, die sich nicht der Malerei, Skulp-
tur oder Architektur rückhaltlos zuzählen lassen,
sind in der Regel Zwitter und kranken an organi-
schen Fehlern. Aber ein schlüssiger Beweis gegen
van de Velde liegt in dieser Unmöglichkeit ihn
genau zu klassifizieren auch wieder nicht. Vor allem
nicht in einer so leidenschaftlich neu organisieren-
den Zeit wie die Gegenwart, weil diese von ihren
stärksten und freiesten Geistern nicht zuerst die
Einordnung fordert, sondern eine Synthese der dis-
paraten Zeitenergien, und weil eine solche nur
möglich wird durch ein zeitweises Hinausstreben
über die natürlichen Grenzen. Auch van de Veldes

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