Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Moore, George: Erinnerungen an die Impressionisten, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ERINNERUNGEN

AN DIE IMPRESSIONISTEN

VON

GEORGE MOORE

SCHI.USS

n den Tagen des „Neuen Athen"
machtenDegas' witzige Aussprüche
die Runde. So sagte er einmal zu
Whistler: „Wenn Sie kein Genie
wären, Whistler, wären Sie der
lächerlichste Mensch in Paris."
Leonardo machte Wege, Degas
Witze. Ich erinnere mich seiner Antwort, als ich ihm
eines Tages im Vertrauen mitteilte, dass ich mir nichts
aus Daumier mache. „Würden Sie Raphael einen
Daumier zeigen, er würde ihn bewundern, er würde
den Hut abziehn; aber wenn Sie ihm einen Cabanel
zeigten, würde er seufzend sagen: ,Daran bin ich
schuld1." Man kann unmöglich witziger und ver-
ständnisvoller sein. Aber ich frage noch einmal:
was will solcher Verstand besagen, wenn man ihn
mit dem prachtvoll gemalten weissen Arm Made-
moiselle Gonzales' vergleicht oder mit dem Kleid, so
durchsichtig, so schön, schöner als Seide und Elfen-
bein, wo jeder Akzent an der richtigen Stelle sitzt?

Manet sagte einmal zu mir: „Ich habe zu
schreiben versucht, aber ich konnte es nicht." Ich
dachte, darin läge eine Entschuldigung, aber es
war nur Stolz, der aus seinen Worten sprach. ,Wer
so malt wie ich, dem kann es nicht im Traum ein-
fallen, etwas andres zu tun', das war sein Hinter-
gedanke. Und wenn Manet hundert Jahre alt ge-
worden wäre, er hätte bis zuletzt gemalt. Aber
Degas, der bloss ein Verstandesmensch war, ward

der Malerei überdrüssig; er beschäftigte sich zur
Zerstreuung mit Modellieren und verlegte sich aufs
Bildersammeln. Seine Sammlung ist die inter-
essanteste in Paris, denn sie repräsentiert den Ge-
schmack eines einzigen Mannes. Seine Haupt-
schwärmerei waren Delacroix, Ingres und Manet,
vornehmlich Ingres. Es gab eine Zeit, da kannte
er jeden, der einen Ingres besass. Die Concierges,
erzählt man sich, hätten ihn über den Gesundheits-
zustand der Besitzer gewisser Bilder auf dem Laufen-
den erhalten; wenn dann Degas von einer Blind-
darmentzündung, die möglicherweise tödlich
verlaufen konnte, oder einem heftigen Influenza-
Anfall hörte, schlug er sofort mit den Flügeln und
machte sich auf den Weg wie ein Geier. Eines
Tages begegnete ich ihm in der Rue de Maubeuge.
„Ich hab's", sagte er und war überrascht, als ich
ihn fragte: was? Grosse Egoisten nehmen immer
stillschweigend an, dass alle Menschen an das
denken, was sie beschäftigt. „Nun, den Jupiter,
selbstverständlich den Jupiter." Und er nahm mich
mit, ich musste das Bild sehn; kein sehr guter
Ingres — gut, ja doch, aber ein bisschen lang-
weilig — ein Jupiter mit buschigen Brauen und
einem Donnerkeil in der Hand. Daneben hing
eine Birne. Ich kannte die Birne, eine getüpfelte
Birne, auf sechs Zoll Leinwand gemalt. Sie hing
früher in Manets Atelier, sechs Zoll Leinwand an
die Wand genagelt.

T43
 
Annotationen