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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 5
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Kunstschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0225
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leisten. Übernimmt er aber alle Pflichten und
leistet etwas, so giebt er eine Arbeitsleistung wie
jeder andere Angestellte; und diese kann man dann
wieder nicht ohne Entschädigung hinnehmen.
Sobald diese in Form eines festen Gehaltes eintritt,
ist natürlich von einem Schulverhältnis nicht mehr
die Rede, sondern der Betreffende ist dann eben,
wie jeder Andere, ein Angestellter der Firma. Wo-
bei der rechte Mann an der richtigen Stelle in-
dessen meist mehr lernt, als bei eigentlichem Unter-
richt. Ich glaube, dass sich auch bei diesem Ver-
hältnis viele von ihnen durchaus als meine Schüler
bekennen und das Gelernte zugeben werden; nur
ist es eben nicht mehr in der Form einer Schule
geschehen.

Paul Schultze-Naumburg.

Die Industrie verlangt rasche, geschickte, in den
Stilarten bewanderte Zeichner; im Interesse der
Kunst müssen wir Zeichner heranbilden mit bieg-
samer Phantasie, mit sicherem Auge und leben-
diger Empfindung für Schönheit. Geschicklichkeit
gehört nicht in die Schule, sie kommt in der Praxis
von selbst. Aber nur in der Schule ist Müsse und
Möglichkeit, den Form- und Farbsinn so zu stählen,
dass keine Hast und Not der Praxis ihn zerstören
kann. Ehrfurcht, Genauigkeit und Ernst im Sehen
und Zeichnen ist das Ziel. Kunstgewerbe verlangt
erfindendes, nicht darstellendes Zeichnen. Das ziel-
lose Pflanzenzeichnen, das mit einem verzweifelten

Sprung in grobem Stilisieren endet, ist ohne Wert,
ebenso das dilettantische Aktzeichnen. Das Natur-
studium muss sich auf ganz einfache Formen
beschränken: Blattränder, Rippen, Dornen, auf
begrenzte Einzelheiten, deren Charakter und Schön-
heit sich mit einfachen Mitteln vollkommen geben
lässt. Dann werden aus solchen Formen durch
planmässiges Verändern lange Reihen verwandter
Formen gewonnen, Formsammlungen angelegt. Es
zeigt sich, dass es nur eine bestimmte Anzahl
Formarten giebt, und dass jede ihr Bildungs- und
Wirkungsgesetz hat. Daraus wird klar, welche
Formen man vereinigen, neben- und übereinander-
legen kann. Damit sind die Gesetze des Formbaus
gewonnen. Von Anfang an wird gezeichnet und
modelliert. Von Material und Technik wird zu-
nächst abgesehen. Erst muss die Phantasie erstarkt
sein, ehe sie auch in den Fesseln der Technik, auch
in geometrischer Bindung sich bewegen kann. Erst
muss die Bewegung des Ornaments begriffen sein,
ehe das leise Leben architektonischer Formen ver-
ständlich werden kann. Diese allgemeine Lehre
erfordert mindestens ein Jahr. Dann gliedert sich
der Unterricht in drei Gruppen: Flächenkunst:
Tapeten, Stoffe, Teppiche; räumliche Kunst: Ge-
fässe, Beleuchtungskörper; Möbel. Einführung in
die Techniken, z. B. Schaft- und Bildweberei, Jac-
quardmaschine, Patronierung, Teppichweberei. Als
vierte Gruppe werden sich später Vortragsreihen
über Architektur anschliessen.

August Endeil.

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