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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 5
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0226

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CHRONIK

Früher machte der Landschafter im Sommer nur seine
Studien. DerWinterwardie eigentliche Arbeitszeit; dann
komponierte er seine „Bilder". Heute ist es anders. Der
Moderne malt vor der Natur seine Bilder fix und fertig.
Die Studie wird nun zum Bild (das Bild nicht oft auch
dadurch zur Studie?), der Winter zur Ferienzeit, zur
„Saison", wo das Geschaffene mit mehr oder weniger
sanftem gesellschaftlichen Zwang verkauft wird. Natür-
lich bleibt der Maler im Sommer auch nicht in Berlin;
er sitzt malend in Holland, an der Ostsee, in der Mark
oder in Norwegen. Wir sehen in den Winterausstel-
lungen den Badestrand, Hafenmolen, Kiefernforste oder
dänische Landhäuser. Niemals die Spree bei Stralau oder
den Anhalter Rangierbahnhof. Leider!

Ulrich Hübner hat in der travemündener Gegend
einen arbeitsreichen und glücklichen Sommer verlebt,
dessen Ergebnisse bei Paul Cassirer ausgestellt waren.
Früher dachte man vor seinen Arbeiten zuerst an Manet
und dann an Hübner; jetzt denkt man zuerst an Hübner
und dann an Sisley. Er ist inniger, intimer geworden;
und auch reifer. Eine leise Süsslichkeit war von jeher
bemerkbar, eine Lust, den wahren Ton pikant zu machen.
Sie ist noch jetzt nicht abgestreift. Man erinnert sich
an Hans Herrmann, der frisch begann und manieriert
endigte. Hübner wird sich vor dem Femininen in
seiner Art zu hüten haben, damit er konsequent ent-
wickeln kann, was seine Bilder von Jahr zu Jahr er-
freulicher macht: den Sinn für klare Natur.

Neben Beckmann kam die Zierlichkeit Hübners frei-
lich besonders stark zur Geltung. Nicht, dass Beckmann
sehr rauh wäre. Aber er thut doch so, weil sich das Kraft-
genialische heute für junge Propheten einmal gehört.
Ein starkes Talent; das stärkste im ganzen Nachwuchs.
Ohne dass doch eine bedeutende Entwickelung schon
verbürgt wäre. Seine Roheiten können so gut die der
Flegeljahre sein wie die eines jungen Helden; seine
ausserordentliche Empfindung für das Musikalische
menschlicher Dynamis in älteren Bildern („Junge Män-
ner am Meer") und eine merkwürdige instinktive Mal-
fähigkeitin den letzten Arbeiten („Bildnis derSchwester",
zwei Stilleben u. s. w.) können so gut auf Naturkraft
beruhen wie auf Reflexenergie. Der genialste Musiker
beginnt in der Sprache der von ihm bewunderten Meister
zu stammeln; aber auch eine glücklich organisierte
Musikantennatur vermag mit Münch, Marees, Gauguin,
Cezanne, van Gogh, Trübner, Ludwig von Hofmann und
Signorelli schon etwas zu beginnen. Dieses vulkanische
Aufflammen bei einem Maler will nicht recht gefallen.
Es sieht etwas litterarisch aus. Ein Bild wie die „Kreu-
zigung" erscheint wie ein Produkt des Ausstellungs-
fiebers; gemacht „pour epater le bourgeois". Freilich
kann dergleichen auch natürliches Gärungsprodukt sein.
Alles in allem: man kann es nicht unterlassen, viel
Gutes von Beckmann zu erhoffen, doch steht hart neben
dieser Hoffnung ein Zweifel. Das Vergnügen einer Pro-
phezeiung kann man sich und dem Publikum erst in

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