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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 9
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Graf, Robert: Briefe von Hans von Marées, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0389

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rung, dass zur Nacht es zur See noch heisser ist als
au f dem Lande. Aber es war doch eine der reizendsten
Nächte, die ich erlebt habe. Die See spiegelglatt, der
hellste Vollmond, dazu noch spater Frau Venus, die
strahlend die rauchige Werkstätte ihres Herrn Gemahls
verliess und sich im Meere spiegelte. Nur hie und da
strich geisterhaft ein Fischerkahn bei uns vorüber; bis
sich endlich ein frischer Wind erhob, der das Meer
gleich schwarz erscheinen Hess, auf dem wir dann mit
aufgezogenen Segeln uns schnell unserem Ziele
näherten und mit der aufgehenden Sonne erreichten.
Sorrent mit seinen Gärten ist schon ein kleines Para-
dies, wenn ich Zeit hätte, führe ich jede Woche hin.
Es sind keine Sirenen dort, aber ein Gasthof nennt
sich zu den Sirenen und solche könnten wohl da einmal
ihr Quartier aufschlagen. — ...

Der Schluss, der leider ein wenig verfrühte Ihres
Briefes hat mich bewogen, Sie in den Teufelsorden
aufzunehmen, und zwar verdienen Sie einen verteufelt
hohen Rang in demselben. Also carina diavoletta oder
diavoletta carina, als solche werden Sie zur Zeit der
festlichen Aufnahme Ihr Diplom empfangen. — ...

( Unterschrift) Der arme, jetzt ein wenig gebratene
Teufel, Maresele genannt.

II.

Neapel, den 9. Sept. iSyj.

Gestern Abend wurde ich durch ein verteufeltes
Kunstwerk überrascht. Es ist schwer zu sagen, ob die
glückliche Wahl des Gegenstandes oder die Conzeption
und Verarbeitung mehr zu loben ist. Nun, in meine
Hände gelangt, wird es demselben an einem würdigen
Platze nicht fehlen. Hoffentlich und anscheinend hat
meine schöne Fleckentheorie Wurzel gefasst.

Indess soll ich wohl die gestellte Frage unverzüg-
lich beantworten? Fast möchte ich mich weigern und
darin Ihrem teuren Beispiele folgen. Ist das recht, so
gut gemeinte Fragen, wie die meinen, unbeantwortet
zu lassen?

Doch ich will Ihren allerhöchsten Unwillen nicht
erregen, und meinem Naturell folgend, ganz zahm
und artig folgen.

Erstens also habe ich vor 3 Wochen eine Fort-
setzung zu meinem ersten höchst erbaulichen Kunst-
schrelben verfertigt, aber allerdings dieselbe, zunächst
aus Zerstreutheit, statt abzusenden, in der Tasche mit
herumgetragen, ein Los, das meinen Schriften häufig
genug zufällt. Zweitens folgt hier eine Beschreibung
meines täglichen Lebens. Wie die meisten Menschen-
kinder stehe ich morgens auf. Ohne weiteren Verzug,
als den Genuss von etwas gefrorener Limonade, gehe
ich an die Arbeit. Zuerst also den Arbeitern ihre

Tagesarbeit bestimmen, das heisst, die Grösse des
Stückes Mauer angeben, das ich bemalen will. Dann
wird einige Stunden nach dem Modell in Oel gemalt
und zwar in der grössten Eile; dann ist der Grund
präpariert, und da muss nun oft kolossal viel an einem
Tage zusammengearbeitet werden, bei welcher Gelegen-
heit nicht nur Kopf und Hand, sondern auch der ganze
Körper in Anspruch genommen wird, da man oft recht
verzweifelte Stellungen einnehmen muss. Bei einer
solchen Geistesgegenwart verlangenden Arbeit vergisst
man zwar selbst die erdrückendste Hitze, aber ist der
Abend herangenaht, so ist man auch zu allem unf ähig.
Dann lass ich mich höchstens von einer Leib und Seele
erschütternden Carosetta zum kleinen Hafen hinfahren
und mir von der See den Rest geben. Die Seeluft
setzt Einen dann wenigstens in Stand, sein Souper mit
einigem Behagen zu halten; schlecht gespielte Strauss'sche
Walzer, korallenfeilbietende Hausierer, scheussliche
Moden noch übertreibende Neapolitanerinnen treiben
einen dem Lager zu, wo Freund Morpheus von sum-
menden, stechenden Janzaren nur zu bald vertrieben
wird. So geht es seit sechs Wochen Tag für Tag. Ist
es da ein Wunder, wenn zuletzt statt eines Menschen
oder auch Teufels nur ein dünner Sommer faden übrig
bleibt, 711 it dem wenig abzuspinnen ist?... —

///.

Neapel, iß. Sept. iSyj.
... — Wenn ich sicher wäre, dass die Wesen
ohne Schnurrbart so verschwiegen wären, wie die mit,
so würde ich Ihnen jetzt sehr — sehr viel zu sagen
haben. Doch wollen wir jetzt einmal zuerst mit Ihnen
beginnen, in Parenthese, an meine barsche Manier
müssen Sie sich nun schon gewöhnen. Wenn Sie zu-
frieden mit sich wären, so wäre auch alle Hoffnung
verloren, denn das müssen Sie wissen, dass der Künstler-
stand der wahre Stand der Unzufriedenheit mit sich
ist. Je weiter man gelangt, desto grössere Ansprüche
stellt man an sich: das alte Sprichwort: lang ist die
Kunst, kurz ist das Leben, bewährt sich nur zu sehr
als zutreffend. Uebrigens bin ich auch nicht direkt
der Ansicht, dass der Schnurrbart das allein selig-
machende Mittel zum Leisten ist; jedoch sind den
Frauen grössere Hemmnisse in den Weg gelegt. Vor
allen Dingen hinderlich ist es ihnen, dass sie vorzugs-
weise und in erster Linie Damen sein wollen, mit
anderen Worten die Männer mehr vom Leisten ab-
halten, anstatt sie darin, wie ihre Geschlechtsgenossinnen,
die Musen, anzueifern und zu bestärken. Wer etwas
leisten will, darf den Teufel darnach fragen, was man
sagt, sondern muss unverrückt sein Ziel vor Augen

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