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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 9
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Denis, Maurice: Henri Edmond Cross
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0393

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HENRI EDMOND CROSS

VON

MAURICE DENIS

Blasses Gelb verschwimmt inmitten von Orange-
tönen, wird zarter und zarter, bis sich ihm unten
am Bild zwei tiefe, ultramarinblaue Linien ent-
gegensetzen. Nach oben vergolden sich die blass-
gelben Töne, erglühen bei der Berührung mit dem
tiefblauen Hintergrund, vermischen sich mit einem
intensiven Orange, bis sie zum Rot übergehen,
— einem düsteren Rot, in dem ein Smaragdgrün
dunkelt und das in einem Hauptpunkt, auf einem
Teppich von Grün und Rosa mit einem fast reinen
Weiss kämpft: — klare Dissonanz, in deren Um-
gebung alles in glühendsten Harmonien jubelt
und vibriert. Ach, wie liebe ich dieses Bild von
Cross, das einen nackten Menschen unter der Sonne
der Provence darstellt!

Und da ist ein dunkler Garteneingang. Man
fühlt die drückende Hitze: die Lichter, die im
Hintergrunde des Bildes flimmern, geben die
Schwere der Mittagsglut. Das Sujet selbst aber
liegt im Schatten. Darunter verstehe ich, was sich
vor dem krassen Tageslicht geschützt abspielt: der
Gegensatz des düsteren Rots mit dem tiefen Grün;
und das Grün geht ins Blau über, die violetten
Töne sind glücklich vermieden, denn sie würden
nur ein Missklang in diesem hellen Dur-Akkord von
Farben sein; und das Grün vereinigt sich, in ver-
schiedenen Graden, mit dem ziemlich intensiven
Rot, das hell und freudig in den Geranien leuchtet
und sich an den Baumstämmen vertieft.

Nichts als Farbe, solche Farben, wie sie der
Händler in Tuben verkauft, aus der diatonischen
Skala von Chevreul und die trotzdem, durch spar-

sames Mischen mit Weiss und durch feindurch-
dachte Gegenüberstellungen, sich zu ganz ver-
schiedenartigen Skalen organisieren: zu Stickereien
worin Formen und Silhouetten vorkommen, die
sich verbinden oder trennen, in ganz seltsamen
Rhythmen. Immeraberist es der Kampf des kalten
Schattens mit der Sonne, der Glanz und der
Wechsel des Lichtes, was die Willenskraft von
Cross in farbigen Synthesen zusammenfasst.

Anfangs ordnete er Töne und Tonfragmente
wie Soldaten in Schlachtordnung an, kleine weisse
Einheiten die er nachträglich mit Lasuren in Uni-
formen von verschiedenen Farben kleidete, je nach
der Rolle, die das Einzelne zu spielen hatte, allem
Einzelnen seine Wirksamkeit zuerteilend, von
vornherein den Widerstand, die Gegenwirkung,
die notwendigen Opfer, die Qualitäten und die
Quantitäten der Streitmächte berechnend, — ganz
in der neo-impressionistischen Manier. Cross hat
sich in dieser zu subtilen Methode, in der die
Romantik eines Signac z. B. ihren Halt und ihre
Solidität findet, den Geschmack für ganz reine
Farben-Akkorde und eine souveräne Beherrschung
der einzelnen Färbungen sowie der Gesamtwirkung
bewahrt.

Seit zwanzig Jahren nun versucht er leiden-
schaftlicher als irgend Einer von uns, Sonnenschein
zu schaffen. Nach vielem Sehen, Nachdenken
und nach reichen Erfahrungen, nachdem er alle
Theorien bis zur letzten Konsequenz durchgeführt
hat, schreitet er nun dazu, dem Spiel der Farben
anstatt dem Spiel des Lichtes die wichtigere Stelle

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