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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 9
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Denis, Maurice: Henri Edmond Cross
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0394

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einzuräumen. Wie die jüngste Schule von heute,
so scheut auch er nicht die Grellheit des Lichtes;
ich würde wohl wünschen, dass seine Ubergänge
oft weniger hart wären und dass eine mildere
Farbengebung in Cezannes Art die oft zu blen-
denden Kontrasten mildern möchte.

Aber abgesehen davon, dass dieser Chroma-
tismus in einigen Werken besteht, ist es augen-
scheinlich, dass Cross vor allen anderen jungen
Neuerern den Vorteil eines enormen Könnens vor-
aus hat, und dass er weit entfernt davon, blendende
und gewagte Wiedergaben einer erbarmungslosen
Sonne zu suchen, sich bemüht, ausgeglichene
Harmonien zu erfinden und, mit der Logik seiner
Hilfsmittel, den Stil der reinen Farbe zu schaffen.
Cezanne sagte einmal: Ich habe entdeckt, dass die
Sonne eine Sache ist, die man zwar nicht durch-
aus reproduzieren, die man aber doch umschreiben
kann. Cross hat sich nach dem Muster der alten
Meister entschlossen, die Sonne nicht durch ein
Verblassen der Farben darzustellen, sondern durch
eine erhöhte Farbenglut und durch die Ehrlichkeit
der Kontraste.

Wenn er die grauen Töne vermeidet so ge-
schieht dies nicht nur aus Abneigung gegen
optische Mischung, sondern er vermeidet haupt-
sächlich das Grau, weil es ihm mehr auf eine har-
monische Farbensensation als auf intensives Leuchten
ankommt. So z. B. wird sich auf einem nackten
Körper in greller Sonne der Schatten eines Baumes
nie mit dem Fleischton mischen, sondern er wird
geradezu blau, grün oder orange, je nachdem eine
dieser Farben subjektiv als die vorherrschende em-
pfunden wird.

Die Sonne ist für ihn nicht mehr ein Be-
leuchtungs-Phänomen, das alles entfärbt und in
ein weisses Licht taucht, sondern ein harmonisches
Feuer, das die Töne in der Natur erwärmt, das
zu einer ungeahnten Farbesteigerung ermächtigt
und die Motive für jede Farben-Phantasie liefert.
Das Temperament von Cross findet darin eine
Gelegenheit, seine reiche Empfindungzu entfalten,
und ein unerschöpfliches Thema, alle Kräfte seiner
Phantasie spielen zu lassen.

Ein Vergleich zwischen den neuesten Werken
und einigen älteren Landschaften aus Venedig zeigt
am besten, in welcher Weise sich die Entwicklung
von Cross vollzieht. Er berechnet weniger im
kleinen und arbeitet grosszügiger. Aber er schafft

auch bewusster. Während Signac vom wissen-
schaftlichen Naturalismus zu einer Art durch-
dachter Romantik übergeht, schreitet Cross, von
den meisten Impressionistenskrupeln befreit, einer
klassischen Conception des Kunstwerks entgegen.
Die Rhythmen seiner Landschaften haben ein
Ebenmass, eine Feierlichkeit in der Verteilung der
Massen, die, ich sage es nicht als Paradox, an Claude
Lorrain erinnern. Die mythologischen Bilder bei
den Independants des vergangenen Jahres und
neuerdings die „Clairiere" zeigen eine Verein-
fachung und Architektur der Figurenmalerei ähnlich
jenen, die seinen Landschaften eine so gleich-
mässige Schönheit und wahre Grösse geben. Eine
tiefe Ehrfurcht vor der Natur und Aufrichtigkeit
des Sehens bilden, wie bei den Klassikern, den
Untergrund für diese dekorativen Arbeiten.

Während Cross' Ubersetzungen der Natur so
zugleich freier und farbiger werden, erweitert und
vereinfacht sich die Art seines Malens. Seine Kunst
wird mehr und mehr eine Kunst der Synthese und
der Phantasie. Der Theoretiker, der erfahrene
Techniker, den wir auch schon bewunderten, zeigt
jetzt die Gaben des Malers und die Gaben des
Dichters.

Bei einer Krümmung des Weges längst dem
Meer, wenn man von Le Lavandou kommt, ge-
wahrt man zuerst eine malerische Hütte, die Cazin,
glaube ich, das Haus des Sokrates nannte. Dahinter
bemerkt man einige Ziegeldächer zwischen Nadel-
bäumen. Das ist Saint-Clair. Rosige Höhen,
amphitheatralisch aufsteigend, im Angesicht des
Meeres, schliessen es eng ein und machen dar-
aus einen Ort, der von der übrigen Welt abge-
schlossen ist.

Das Haus von Cross liegt da inmitten von
Bäumen und Blumen. Er empfängt Einen mit
seinem guten Lächeln und seinen sehr sanften,
blauen Augen; und sein ganzes Gesicht ist ernst
und beschaulich wie das eines Einsiedlers, eines
heiligen Franciscus, der die Rhythmen für das
Hohe Lied der Schöpfung findet und singt:
Specialement messet le frere Soleil,
Lequel nous donne le jour et nous illumine
Et il est beau et rayonnant d'une grande splendeur.

In seinen hellen nordischen Augen funkelt der
ganze Glanz des Südens: sein Blick bewahrt treu
dessen Reflexe und sein Werk verewigt südlich
vibrierenden Glanz und südliche Bewegung.

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