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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 10
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Müller-Kaboth, Konrad: Albrecht Bräuer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0412

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ALBRECHT BRÄUER

VON

KONRAD MÜLLER-KABOTH

s giebt sentimentale Motiye auch in
der Kunstforschung. Die speziellen
Erfahrungen des letzten Jahrzehnts,
das eine Anzahl übersehener und
namenlos gewordener Künstler in
Rang und Ehren setzte, und die allgemeinen Re-
miniszenzen an „Künstlers Erdenwallen" über-
haupt, an die gerade in der modernen Kunst
zahlreichen Paradigmata dieser Parabel, haben
eine Stimmung geschaffen, die, übernommen und
unsicher, auf der lüsternen Jagd nach Emotionen
jeden neu auftauchenden Künstler von Wert und
geringem Ruf mit den Emblemen des verkannten
Genies und einer etwas äusserlichen Tragik
feiert. Man spricht gern und etwas vorlaut von
den Akten ausgleichender Gerechtigkeit, die durch-
aus nur edlem Wollen und nicht etwa einem Im-
puls der Selbstgefälligkeit entspringt, und scheut
sich nicht, alten Lorbeer von längst gekrönten
Stirnen zu reissen, nur um dem neuen mehr Platz
und sich die grössere Ehre zu geben. — Ich

denke, Zucht und Zurückhaltung thut auch der
nachprüfenden Justiz not, selbst wenn sie alte
Schuld zu tilgen sucht. Denn selbst wenn nach-
weisbar diese sogenannte Schuld vorhanden ist und
nicht etwa von der eigenen Überschwänglichkeit
vorgespiegelt wird, um das Interesse überhaupt
zu erhalten, sollte man, schon um der Reputation
des eigenen Scharfsinns willen, mit dem Banausen-
tum der Mitwelt und der pietätlosen Augenblicks-
lust der Nachlebenden nicht alles für erklärt halten;
es giebt mancherlei tiefe und unumgänglichere
Dinge als diese trivialen Objektivitäten, die Namen
und Werk eines Künstlers ins Dunkle führen können;
subjektive Dinge, Hemmungen und Nöte des

scheinbar freien Willens, die dem nach Wirkung
drängenden Ingenium nicht bloss die Sphäre be-
schneiden, nein, die es überwältigen, dass es zer-
bricht.

Wenn ich hier vom alten Albrecht Bräuer,
weiland Professor und Lehrer für Freihandzeichnen
an der Breslauer Kunstschule, berichten will, so
denke ich zuletzt daran, dass dieses starke Talent
ungekannt blieb und einen neuen Akt der viel-
bemühten Ausgleichsgerechtigkeit erfordere; er
selbst mit seinem bitteren und trotzigen Stolz
würde ihn ohne Höflichkeit und Besinnen ab-
lehnen. Sondern ein Mann steht vor mir, von dem
undefinierbaren Alter Derer, die keine Jugend hatten,
zur Härte erzogen und von cholerischer Derbheit;
schwerfällig im Leben, schwierig in der Kunst;
reinen Sinnes, schroff und unnachgiebig; grüblerisch
und prinzipienstreng bis zur Pedanterie; ein Mann,
der vieles hasste, weil er schwärmerisch zu ver-
ehren verstand; inbrünstig der Musik ergeben und
von den Rhythmen hoher Kunst mit verzehrender
Glut durchwärmt: in Summa, Einer, der notwendig
zu seiner Einsamkeit stand, weil er voller Verach-
tung sich nicht in die Welt zu schicken wusste.
Das Schicksal, im resignierenden Phlegma einer
kleinstädtischen Professorenexistenz sich langsam
zu zerreiben, hat er ertragen, weil von einem ge-
wissen Zeitpunkt an für ihn feststand, dass sein
Mangel an Naivität, die grüblerische Schwere
seines Temperamentes und der von unerbittlicher
Selbstkritik gebrochene Mut seiner Instinkte jedem
freien Werben um Gunst, Macht und Wirkung
den Erfolg versagen mussten. Er wurde bewusst
und entschlossen Lehrer — von welcher Art, das
hat Lothar von Kunowski mit zärtlicher Begeiste-

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