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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 10
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0437

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CHRONIK

In seiner „Hilfe" hat Friedrich Naumann bei Ge-
legenheit einer Betrachtung Liebermanns mit so reifer
Einsicht Allgemeingültiges über Malerei gesagt, dass
sich die Wiederholung des Wichtigsten an dieser Stelle
rechtfertigt. Zugleich freuen wir uns, dem Glück-
wunsch, der Liebermann vom Generaldirektor der
Museen hier ausgesprochen wird, die Ehrung einer aus
ganz anderen Interessenkreisen stammenden bedeuten-
den Persönlichkeit hinzufügen zu können.

„Der Maler kann nichts anderes bearbeiten, als die
Aussenseite der Dinge. Ihn kümmert die Entstehung
der Erscheinungen nicht. Mag ein Baum, den er vor sich
hat, zum alten Bestände deutscher Pflanzen gehören
oder aus Samarkand eingeführt sein, was kümmert es
ihn? Ihm ist es gleich, ob das Haus, dessen Giebel es
darstellt, mit Holz oder Eisen aufgerichtet wurde. Er
kann eine Lokomotive malen, ohne von der Einrichtung
der Dampfmaschine etwas zu verstehen. Er malt Stoffe,
deren Herstellung ihm ewig Geheimnis bleiben wird.
Wenn er alles verstehen sollte, was er malt, dann würde
er nie fertig werden. Soll er die Geologie studieren,
ehe er Berge entwirft? Man verlangt von ihm nichts,
als ein gutes Auge. Wenn wir als Zuschauer seiner

Arbeit folgen, so zieht er uns in seine Einseitigkeit hinein,
denn er lässt uns alles vergessen, was nicht gesehen
werden kann. Es ist, als ob die Welt keine Geschichte
und keine Vergangenheit hatte, sondern nur eine Gegen-
wart. Es ist, als ob es kein inneres Wesen der Dinge
gäbe, sondern nur eine Erscheinung. Nicht, was der
Mensch spricht, interessiert den Maler, sondern wie er
den Mund aufmacht, nicht, wohin er geht, sondern wie
er seine Füsse setzt. Der Zweck der Dinge und Hand-
lungen ist versunken, sobald wir den Maler besuchen.

Es genügt, dass sie da sind.....

Man könnte also glauben, dass der unphilosophischste
Maler der beste sei. Viele unserer jungen Künstler
glauben das wirklich. Sie vernachlässigen ihre allge-
meine Bildung und verzehren sich in Technik des Auges
und der Hand. Es wird fabelhaft gearbeitet, und das
Ergebnis ist sehr oft eine Art von Gewandtheit, die im
Grunde niemanden etwas bietet. Man gehjs doch durch
die langen Säle der Ausstellungen! Kunsthandwerk !
Ob dieses Handwerk mehr nach alter oder neuerMethode
betrieben wird, ändert daran nichts, dass man die Seelen-
losigkeit dieser Menschen empfindet, von denen man
nicht sagen kann, dass sie etwas falsch machen. O, dass

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