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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0444

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abzuwandeln, auf einem Punkte, als auf einer op-
tisch geschlossenen und sozusagen imaginär ge-
rahmten Einheit, ruhen zu lassen. Man sagt, der
Impressionismus lehre, die Welt der Erscheinungen
in Farbenflecke zu zerlegen; aber er lehrt auch, aus
Farbenflecken eine Welt des Gefühls, neu und leben-
dig wie am ersten Tag, wieder aufzubauen. Er
macht auf das Charakteristische aufmerksam und
im Charakteristischen auf das Dekorative; er be-
freit vom Gegenstand und zeigt in allem die Form.
Die Form aber vertieft er so, dass sie als Lebens-
gleichnis erscheint. Das Rätselspiel der Natur
bleibt so geheimnisvoll wie es von je war, aber es
wird dem von dieser Kunst Geführten zugleich zu
einem Schauspiel, dem er vom Parkett aus zuschaut.

Auf die Allgegenwart der Schönheit in der
Natur macht der Impressionismus nachdrücklicher
aufmerksam, als es irgend eine andere Form der
Malerei zu thun vermag. Es sind dieser modernen
Kunst die gewaltigen, architektonisch-symphoni-
schen Wirkungen versagt, wie sie von Werken der
Renaissance ausgehen; dafür aber nimmt sie ver-
traulicher am ganzen Leben teil. Ihre im edelsten
Sinne sentimentalische Beseelung der Alltagsnatur,
die sie zu einer Art Profankunst stempelt, wie der
Roman in anderer Weise eine ist, macht sie be-
sonders geeignet, unmittelbar auf den Augenblick
zu wirken und das immer rege Naturgefühl in
jeder Stunde zu veredeln. Es bedarf exceptioneller,
seltener Bedingungen, um die Natur mit den Augen
Michel Angelos oder Lionardos zu sehen; und um
in der Natur an Claude Lorrain zu denken, sind
stolze Baumgruppen und reine Abendhimmel nütig.
Die Erinnerung aber an die Impressionisten, oder
doch an ihr Verhältnis zur Natur, begleitet uns
überall. Sie ist bei uns in den Strassen der Gross-
stadt, am Meer, in Feld und Wald und in den
Stuben. Denn das Baumaterial dieser Kunst ist
nicht die stolze Linie, die heldische Körper und
ein Milieu hoher Kultur voraussetzt, sondern es
sind Luft, Licht und das magische Spiel der Dinge
im Raum: allgegenwärtige Kunstmittel, womit
auch das Naturgefühl des Laien zu tändeln vermag.
Von einer zarten aber gar nicht schwächlichen und
oft sogar sehr monumentalen Lyrik sieht der von
dieser Malerei Erzogene sich darum überall in der
Natur umgeben. Mit J. P. Jacobsen darf er
sprechen: „Jedes Blatt, jeder Zweig, jeder Licht-
strahl, jeder Schatten kann mich erfreuen. Kein
Hügel ist so kahl, keine Torfgrube so viereckig,
keine Landstrasse so langweilig, dass ich mich nicht

einen Augenblick darin verlieben könnte. Ich kann
es nicht erklären, aber es liegt in der Farbe, in der
Bewegung und in der Form, und dann in dem
Leben, was darin ist."

Eine solche Erziehung zum Naturgefühl durch
die lebendige Kunst der Gegenwart trägt ent-
scheidend dazu bei, uns langsam von der be-
schämenden Despotie des Phänomens zu befreien.
Es ist eben wieder die Zeit, wo die Bewohner der
Grossstadt in Scharen durchs Land reisen. Noch
immer glauben die meisten von ihnen, Naturschön-
heit gäbe es nur auf „berühmten Punkten", Natur-
gefühl müsse mit der Eisenbahn, dem Dampfschiff
erjagt werden. Als ein Schönes in der Natur gilt
ihnen das Seltene, Ausserordentliche, Theatralische:
das Phänomen. Sie geniessen die Natur, wenn sie
vom Berg fünfzig Kilometer weit ins Land sehen
können, wenn sie beim Sturm die Brecher an der
Mole zählen oder vom „Aussichtspunkt" aus über
die Lage der Städte und Dörfer diskutieren. Dar-
um sind sie so sehr auf das „schöne Wetter" an-
gewiesen. Ohne brennende Sonnenaufgänge, Berg-
seen, Gletscher, Wasserfälle, Felsenpartien und
Brandungen, das heisst: ohne seltene Gegenstände
kommt ihr Naturgefühl nicht in Schwung. Nun ist
es gewiss interessant und nützlich, neue Gegenden
aufzusuchen. Aber es giebt in der ganzen Welt keine
Naturschönheit, die höheren Grades wäre, als die,
die man auch daheim haben kann. Die Welt ist
überall Gottes. Dieses Bewusstsein ist Voraussetzung
des rechten, genussreichen Naturgefühls. Die opti-
schen Schönheiten, worauf es ankommt, sind in
Tempelhof bei Berlin ebenso edel wie in Montreux
oder St. Moritz, sind im Regen-, Sturm- und Nebel-
wetter so beglückend wie im Sonnenschein. Es giebt
in der Schweiz gewiss bedeutenderes Anschauungs-
material und mannigfaltigeren SchünheitsstofF.
Aber man kann auf dem Verdeck eines Omnibus
durch die Stadt fahren und in einer Stunde mehr
geniessen, als der Programmensch auf einer Tages-
tour im Gebirge. Die Fähigkeit zum Naturgefühl
solcher Art will aber erworben sein; es gehört
Empfindungsfröhlichkeit und ein erzogenes Auge
dazu, weil es sich schliesslich um eine persönliche
That handelt, weil die entdeckten Naturschönheiten
nichts sind, als Reflexe innerer Harmonie. Weil
man, um recht zu geniessen, ein wenig Künstler
sein muss und Philosoph und im Herzen fühlen
soll wie Lynkeus, der Türmer:

„So seh ich in allem die ewige Zier,

und wie mir's gefallen, gefall ich auch mir!"

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