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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 11
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Meier-Graefe, Julius: Neue deutsche Römer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0445

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NEUE DEUTSCHE RÖMER

VON

JULIUS MEIER - GRAEFE

Jörns schlechter Ruf als Bildungsstätte
für deutsche Künstler ist nur in-
sofern berechtigt, als diese Stadt
I nicht für unreife Menschen taugt.
I Den Armen nimmt Rom den Rest;
Denen aber, die etwas mitbringen, giebt es. Ich
glaube nicht, dass der Ehrgeiz dort unnatürlich ge-
stachelt wird. Die Redensart von den grossen Bei-
spielen ist fauler Zauber; denn diese Beispiele liegen
zu fern, zu weit zurück. Den Ehrgeiz erweckt Paris
mehr, weil man dort tausend Fäden findet, woran
man die eigene Gegenwart befestigt, um mitzu-
laufen. Gerade das gar nicht Aktuelle Roms hat
Vorzüge. Man kann sich dort sammeln, sich in
Ordnung bringen, nachdenken. Paris hat unsere
Leute zu ausserordentlichen, aber vereinzelten Lei-
stungen getrieben: so Menzel und Leibi; Rom hat
sie geklärt, sie den für die Zukunft entscheidenden
Weg wählen lassen: so Feuerbach und Marees. Viel-
leicht liefert uns Rom jetzt ein neues Beispiel dieses
wohlthätigen Einflusses. Der erfreulichen Dinge
in der werdenden Kunst sind so wenige, dass man
mir die Voreiligkeit, womit ich es zitiere, nicht
nachtragen wird.

Vor sechs Jahren besuchte mich in Paris ein

junger Deutscher, Karl Hofer, mit seinen Erstlings-
arbeiten. Es waren Zeichnungen. Ein Satan mit
einem Bart, der zu einer Schlange wird, einen un-
glücklichen Schläfer erwürgt und noch verschie-
denes andere Unheil anrichtet. Das war, glaube
ich, noch das mildeste. Die Art ähnelte den bei den
Independants in den Nebenräumen hängenden Din-
gen, die man gutthut, nicht unvorbereitet zu be-
trachten; vom Geiste Münchs ohne dessen Können.
Dabei natürlich, wie immer, mit viel Talent. Ein
paar Jahre darauf gab es von demselben Mann
Gemälde. Ein Meerweib von beträchtlichen For-
men, im Spiel der Wellen war sein erster Mal-
versuch und zeigte schon die Richtung. Gedrun-
genere Formen folgten. Ein brünstiger Ritter,
Profil nach rechts, umarmt eine gewaltig auf-
schreiende Germania, Profil nach links. An stiller
Meeresbucht schlummert ein nacktes Weib; ein
Täubchen bringt ihm die Träume. Und so weiter.
Man merkte das Streben, die Wildheit Böcklinischer
Einfälle zu zähmen. Das Motiv trat in den nächsten
Bildern immer mehr zurück. In der Weimarer
Ausstellung von Bildern Hofers, die Graf Kessler
vorigen Sommer veranstaltete, schien der Künstler
ein endgültiges Genre gefunden zu haben. Ein

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