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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 12
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Runge, Philipp Otto: Aus den hinterlassenen Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0511

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AUS DEN «UNTERLASSENEN SCHRIFTEN

VON

PHILIPP OTTO RUNGE

(SCHI.USS)

ieber! was haben wir für einen ge-
waltig schönen Frühling, und einem
armen Menschen wie mir, der so
zwischen den kalten Mauern herum-
spatzieren muss, wäre es gar nicht
zu verdenken, wenn er den eigennützigen Wunsch
hätte, die ganze schöne Natur zu umfassen und mit
zu Hause zu nehmen; es ist doch die lebendige
Natur allein, die so gewaltsam auf einen würkt,
dass man vor Freudigkeit niedersinken möchte; und
dir möchte ich um den Hals fallen, dass du mich
so lieb hast.

Du denkst aber doch wohl zu gut von mir,
und ich will es mir am meisten wünschen, dass du
einmal ganz mit Recht so von mir denken könnest.
Es geht doch auch so nicht mit der Kunst, wie ich
dachte, als ich dir meinen lezten Brief schrieb; man
kann in der Spannung und vollen Lebendigkeit der
Phantasie und Empfindung wohl recht gute und
grosse Ideen haben, aber zur Ausführung derselben
gehört doch eine ganz ruhige Stimmung und viel
Geduld; aber doch werden, wie ich auch sagte, in
der Spannung die schönen Bilder entworfen, die
hernach, wenn es sich damit etwas gelegt hat, aus-
geführt werden, und in einem jeden solchen Kreis-
laufe, wenn man auf sich Achtung giebt, kommt
man doch im Ganzen immer um einen Schritt
weiter. Wer nun nur immer Zeit hat, hiebey alles
zu benutzen und zu bedenken, der ist wohl daran.
— Morgen ist Johannis!

Wenn ich doch nur so weit wäre, dass ich
recht hinter die Handgriffe der Mahler und
Zeichner kommen könnte, und wenn sich doch
einer in dieser Hinsicht für mich recht interessiren

wollte! Was die Phantasie, Ideen, überhaupt die
Erfindung anlangt, damit denke ich, ohne Ruhm
zu melden, nicht stecken zu bleiben. — Ich möchte
dich etwas fragen, womit ich mich schon lange
herumschlage und möchte wissen, ob es dir damit
auch so wäre: Sieh', wenn ich etwas sehe, es mag
nun seyn ein schöner Baum, ein schönes Gemähide,
ein schöner See, ein Mädchen, Knabe oder Mann,
eine Säule, Sachen, die gar nicht zusammen zu ge-
hören scheinen, ja ich möchte sagen ein Thier,
wenn auch noch so gemein, es ist mir in allem,
selbst in einem Stück Holz, bisweilen wie ein
Wesen, was allem gleich eigen ist, und worin alles
und jedes zusammenhangt, ich weiss nicht, wie ich
es nennen soll, ich könnte sagen der lebendige
Geist Gottes, der uns aus allem hervorleuchtet.

Mir ist doch immer als wäre es nichts, wenn man
auf der Welt nicht weiter kommt, als dass man sich
ernähren kann, man muss doch wohl noch etwas
mehr und kein Gedanke kann mich mehr erschrecken,
als wenn ich mich am Ende meines Lebens nur
durch die Welt geholfen hätte. Ich will gewiss
alles thun, was in meinen Kräften steht, bin aber
gewaltig neugierig, wie es in der Zukunft werden
wird, so dass ich mich bisweilen wundre, dass ich
selbst es nun bin, auf den ich neugierig bin.

Uebrigens nur noch einiges wegen der Mahler,
die Sie anführen. Sie haben den guten Rembrandt
vergessen, und gethan, als ob er gar nicht in der
Welt wäre. Mich dünkt, jeder grosse Mahler hat
so seine Liebhabereyen gehabt; in allen Dingen ist
doch keiner der grösste gewesen. So gross Rafael
im Ausdruck und in den reinen Formen seiner
menschlichen Figuren ist, eben so gross, dünkt

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