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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 4
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Ruth St. Denis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0170
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LUDWIG VON HOFMANN

RUTH ST. DENIS

unmöglich ist, weil mit der äusseren Gelegenheit
auch die innere fehlt, und der gestaltlose Trieb
nirgend eine brauchbare Form findet, so muss sie
notwendig über den Tanz zu denken beginnen und
verstandesgemäss sich vorzustellen versuchen, wie
er einst gewesen ist und wie er eigentlich sein
sollte.

In den letzten Jahren haben sich uns verschiedene
Tänzerinnen vorgestellt, die sich in dieser Weise
gezwungen sahen, ihr elementares Urgefühl zu
intellektualisieren: Serpentintänzerinnen, die sehr
glücklich das Licht und die Linienwirkungen

bewegter Stoffe benutzen, Schlaftänzerinnen, die
Karl du Prel gelesen haben, und Barfusstänzerinnen,
die Schopenhauer und Kant zitieren. Meistens ist
es gekommen, wie es vorauszusehen war: das Denken
hat das Temperament abgekühlt, und was elementar
hervorbrechen sollte, ist schematisch in Erscheinung
getreten. In den letzten Wochen haben wir nun
aber eine neue Tänzerin kennen gelernt, die es ver-
steht, ihre Tanzgedanken wieder durch natürliches
Tanzgefühl zu überwinden. Konsequenter als irgend
eine ihrer Gleichstrebenden folgt Miss Ruth St. Denis
ihrem ursprünglichen, genialisch starken Tanztrieb.

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