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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 1
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Trübner, Wilhelm: Aus meinem Leben
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0018

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ging er direkt auf meine Arbeiten los und zeichnete
mich sofort mit den grössten Lobeserhebungen aus.
Er empfahl mir aufs Dringendste, gleich aus der
Akademie auszutreten und mit meinen Freunden
Lang und Schuch ein gemeinsames Atelier zu be-
ziehen, betonend, dass ich bereits mehr könnte wie
meine Lehrer und jede Art von Korrektur mir nur
hinderlich wäre. Mein Mut wurde dadurch mächtig
gehoben und meine Schaffenskraft aufs Äusserste
angespornt.

Leibl blieb mehrere Tage bei uns in Bernried
und war von da an unser bester Freund und unser
künstlerisches Vorbild. Mit Korrigieren gab er sich
aber nicht ab, und besuchte uns im folgenden
Winter 1871/72 nur einmal in unserem Atelier.
Er liebte es, seine Ansichten und Grundsätze im
persönlichen Umgang auf Spaziergängen und im
Wirtshaus darzulegen.

Leibl überliess bei seinem Weggang von Bern-
ried einen alten Verwandten von sich unserer Obhut,
den Bürgermeister Klein von St. Johann bei Saar-
brücken, den er in dem bekannten Porträt (National-
galerie, Berlin) verewigt hat. Dieser alte Herr pflegte
uns nach Tisch mit den Geheimnissen des Karten-
spiels vertraut zu machen, und wenn einer fragte,
wer fängt an, so sagte er stets: „Immer der, wo
fragt", was uns allemal eine unbändige Freude be-
reitete, weil es immer gestimmt hat. Doch hat er
uns auch eines Tages in den grössten Schrecken ver-
setzt. Nach der Arbeit gegen Abend half uns der
alte freundliche Herr gewöhnlich in den See hinaus-
rudern zum Baden, wobei Albert Lang eines Tages
den Tod des Ertrinkens hätte erleiden müssen,
wenn ich nicht noch rechtzeitig die Gefahr er-
kennend zu dem bereits in grösster Entfernung
befindlichen und von dem ziemlich.schwerhörigen
Bürgermeister gedankenlos in entgegengesetzter
Richtung dirigierten Boot zurückgeschwommen
wäre und durch kräftiges Einsetzen der Ruder mit
Aufbietung aller meiner Kräfte dem bereits gänz-
lich erschöpften Lang die Rettung gebracht hätte.

Leibl, dem in jener Zeit nichts kühn und an-
strengend genug sein konnte und für den es über-
haupt keinerlei Schwierigkeiten gab bei allem, was
ihn interessierte, überraschte uns oft mit seinen un-
erwartet gefassten Entschlüssen, die gewöhnlich
weit überunser gewohntes Thun hinausgingen. Bald
wollte er nachts - 11 Uhr mit uns über den See
rudern, um auf der anderen Seite noch eine Maass
zu trinken, bald wollte er über den ganzen Starn-
berger See oder quer über die reissende Isar schwim-

men. Bei einem solchen Ausflug nach Pullach bei
München ereignete es sich, dass Leibl und sein
Kreis, nachdem die Isar glücklich durchschwömmen
war, die Stelle des diesseitigen Ufers, wo die Kleider
lagen, nur wieder erreichen konnten, wenn sie, der
starken Strömung wegen, eine halbe Stunde fluss-
abwärts anlandeten. Leibl und der ganze Tross in
Adamskostüm musste daher an all den lachenden
Ausflüglern und an all den über und über erröten-
den Ausflüglerinnen im Laufschritt vorbeidefilieren,
um wieder zu der so notwendigen Garderobe zu
gelangen. Leibl war herkulisch gebaut, von ausser-
gewöhnlicher Körperkraft und doch dabei beseelt
vonfeinster Empfindungund vornehmster Denkungs-
art. Sein Kopf sah aristokratisch distinguiert aus,
der Körper bürgerlich derb und der Gang bäuerisch
plump. Deshalb beurteilten ihn seine Feinde nach
seinem Gang. Die wirklichen Bauern, die mit ihm
die Akademie besuchten, wurden in den Adelstand
erhoben, was sie jedenfalls auch verdienten, und
den in seiner Gesinnung und in seiner Kunst Vor-
nehmsten von allen schalten sie einen Bauern.

Bald lernten wir auch die Freunde Leibls ken-
nen: Thoma, Hirth, Alt, Haider, Sperl, Schider
und Sattler, mit denen wir von dieser Zeit an täg-
lich verkehrten. Schon nach einem halben Jahre,
im März 1872, malte ich das kleine Bild: „Junge
vor einem Kasten sitzend" (Stuttgarter Galerie), mit
dem ich mir damals meinen ersten Erfolg im
Münchener Kunstverein errang.

Auch bei Lang entstand damals schon sein aus-
gezeichnetes „Krautstilleben" und das lebensvolle
Porträt des Malers Heinrich. Schuch dagegen
brauchte noch mehrere Jahre, bis er sich ganz durch-
gearbeitet hatte, entwickelte sich aber dann zu
einem aussergewöhnlich feinen Künstler.

Im April 1872 malte ich während eines Aus-
fluges nach Heidelberg „Mädchen auf dem Kanapee"
(Nationalgalerie, Berlin), und im Monat Mai des-
selben Jahres wurde ich in München von Leibl
porträtiert.

Im Juni begab sich Lang mit Maler Heinrich,
der auch an unserem gemeinsam gemieteten Atelier
teilhatte, nach der Rhön, und Schuch zog ins
nahe Gebirge zum Landschaftsmalen. Leibl siedelte
auf's Land in die Nähe Dachaus über, nach Grassel-
fing, und hielt sich nachher nur noch vorübergehend
in München auf. In dieser Zeit lud mich Hans
Thoma ein, in seinem Atelier zu arbeiten, von welch'
freundschaftlichem Anerbieten ich gern Gebrauch
machte. Die Eindrücke, die ich in Thomas Atelier

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