ihn als Europas grossen Meister gepriesen; so setzte
es mich in Verlegenheit, ihm zu danken. Ich ver-
gesse, ob Sie von seinen Arbeiten wissen. Er zeich-
nete viel auf Holz, und ich kenne ihn hauptsächlich
aus Drucken. Ich schicke ihm nun ein paar Blätt-
chen von meinen Skizzen, in grosser Angst, dass er
nichts darin sehen und mich für eingebildet halten
könnte."
Und eine ganze Weile später, am 13. April 1883
schreibt er: „Ich hatte einen Brief (sehr schmeichel-
haft) vom alten Menzel aus Berlin. Er sandte mir
eine Menge Proben und Drucke seiner Zeichnungen
für Holz, Photographien seiner Bilder und Zeich-
nungen und ein halb Dutzend Skizzen von seiner
Hand. Ich wünschte, Sie könnten sie sehen."
Im allgemeinen fühlte Keene für die besten
Deutschen. Nicht allein bewunderte er schon früh
das Vortreffliche in Menzels Friedrich dem
Grossen, er hatte auch Blick für Alfred Rethel,
von dessen Totentanz er gesagt hat: so sei nun
der Holzschnitt, von dem er etwas hielte. Und
besonders ergötzte er sich an der Gemütlichkeit
jenes älteren Zeichners, mit dem Menzel so viel
Verwandtschaft zeigt: Chodowiecki.
„Der letzte gute Fund den ich gethan", so schreibt
er wieder an einen Freund, „war eine Ausgabe von
Clarissa Harlowe im Französischen, in zehn Teilen,
mit zwei Stichen von Chodowiecki in jedem Teil.
Ich habe rasende Lust, das Buch dranzugeben und
die Stiche herauszureissen. Kennen Sie das Werk
dieses Künstlers? Ich halte ihn für den ausser-
gewöhnlichsten Teufelskerl von einem Produzenten
— und von in ihrer Art ausgezeichneter Kunst —
von dem ich je gehört. Er muss erst noch ent-
deckt werden. Ich möchte wetten, dass von sieben
Mitgliedern der Royal Academy vier nicht einmal
seinen Namen kennen. Ich habe einen kleinen Teil
seiner Werke gesammelt."
Und demselben teilt er seine Bewunderung für
zwei bekannte Münchener folgendermassen mit:
„Was sagen Sie von den Fliegenden Blättern?
Sind die nicht besonders gut ? Vor allem die Zeich-
nungen von Oberländer und Hengeler. Es sind
einige prachtvolle Zeichnungen von diesen beiden
Künstlern in der ersten Hälfte dieses Jahrgangs
(1887) namentlich im Tierfach. Ratten, Mäuse,
Frösche, Vögel und solch kleines Getier. Die
Stutzer, Damen usw. sind gut, aber die sind leichter."
Diese Sympathie, welche Keene für deutsche
Kunst hatte, wurde ihm von den Deutschen, mit
Ausnahme von Menzel, nicht mit entsprechender
Schätzung erwidert. Wenn er wetten wollte, dass
vier von sieben Mitgliedern der Royal Academy
von Chodowiecki nicht einmal den Namen kannten,
so kann man wohl auch glauben, dass ein ebenso
grosser Teil der Berliner Akademie-Mitglieder auch
jetzt noch niemals von Keene gehört hat!
Und doch war Keene ein sehr grosser Künstler,
wie übrigens direkt nach seinem Tode einstimmig
und mit Nachdruck bezeugt wurde, am besten
vielleicht von George Moore, der, für die outriert
französisch gesinnten Verirrungen seiner Jugend in
dem schärfst argumentierten Chauvinismus büssend,
gerade der Mann ist, den ganzen Wert des genialen
Punch-Zeichners zu schätzen.
„Der grosse Künstler", so schrieb dieser para-
doxalste aber auch markigste der englischen Schrift-
steller über moderne Kunst— „der grosse Künstler
ist Der, der am rassigsten auf seinem heimischen
Boden wurzelt, der am beharrlichsten sein Talent
in einer Richtung kultiviert hat, und in einer
Richtung allein, der sich am öftersten wiederholt
hat, der am gierigsten sich selbst gelebt hat. In
der Kunst bedeutet Eklektizismus Verlust des Cha-
rakters, und Charakter ist Alles in der Kunst." -—
Und nachdem er in einer glänzenden Tirade von
brutalen Behauptungen dieses Thema durchgeführt
hat, vor allem versichernd, dass Jeder ohne Um-
schaun und ohne Nebengedanken am liebsten be-
scheiden hinter der Tradition eines Meisters her
wandeln muss, plaidiert er weiter: „Charles Keene
suchte nie nach Originalität. Im Gegenteil, er be-
gann damit, demütig John Leech, den Erfinder der
Methode, nachzuahmen. Seine frühesten Zeich-
nungen waren kaum von denen von Leech zu unter-
scheiden. Er folgte bescheiden der Tradition, und
die Originalität beschlich ihn unbemerkt. Charles
Keene war kein Gelehrter, er dachte an wenig
anderes als an sein eigenes Talent und den verschie-
denartigen Aspekt des englischen Lebens, den zu
verbildlichen er die Macht besass, aber er kannte
vollkommen die Fähigkeiten seiner Begabung, die
Richtung, in der sie entwickelt werden konnte, —
und sein ganzes Leben war der Ausbildung dieses
Talentes gewidmet......"
In der That war er nur durch Gewissenhaftig-
keit und Klugheit und enorm angespannte Aus-
dauer zu etwas Starkem gelangt. Er ist nicht früh
reif gewesen. Noch mit siebenundzwanzig Jahren
war er Mitglied einer Zeichengesellschaft, wo man
glaubte, seiner Arbeit nur wenig Wert beilegen zu
müssen. Er hatte die harte Jugend eines Engländers
z85
es mich in Verlegenheit, ihm zu danken. Ich ver-
gesse, ob Sie von seinen Arbeiten wissen. Er zeich-
nete viel auf Holz, und ich kenne ihn hauptsächlich
aus Drucken. Ich schicke ihm nun ein paar Blätt-
chen von meinen Skizzen, in grosser Angst, dass er
nichts darin sehen und mich für eingebildet halten
könnte."
Und eine ganze Weile später, am 13. April 1883
schreibt er: „Ich hatte einen Brief (sehr schmeichel-
haft) vom alten Menzel aus Berlin. Er sandte mir
eine Menge Proben und Drucke seiner Zeichnungen
für Holz, Photographien seiner Bilder und Zeich-
nungen und ein halb Dutzend Skizzen von seiner
Hand. Ich wünschte, Sie könnten sie sehen."
Im allgemeinen fühlte Keene für die besten
Deutschen. Nicht allein bewunderte er schon früh
das Vortreffliche in Menzels Friedrich dem
Grossen, er hatte auch Blick für Alfred Rethel,
von dessen Totentanz er gesagt hat: so sei nun
der Holzschnitt, von dem er etwas hielte. Und
besonders ergötzte er sich an der Gemütlichkeit
jenes älteren Zeichners, mit dem Menzel so viel
Verwandtschaft zeigt: Chodowiecki.
„Der letzte gute Fund den ich gethan", so schreibt
er wieder an einen Freund, „war eine Ausgabe von
Clarissa Harlowe im Französischen, in zehn Teilen,
mit zwei Stichen von Chodowiecki in jedem Teil.
Ich habe rasende Lust, das Buch dranzugeben und
die Stiche herauszureissen. Kennen Sie das Werk
dieses Künstlers? Ich halte ihn für den ausser-
gewöhnlichsten Teufelskerl von einem Produzenten
— und von in ihrer Art ausgezeichneter Kunst —
von dem ich je gehört. Er muss erst noch ent-
deckt werden. Ich möchte wetten, dass von sieben
Mitgliedern der Royal Academy vier nicht einmal
seinen Namen kennen. Ich habe einen kleinen Teil
seiner Werke gesammelt."
Und demselben teilt er seine Bewunderung für
zwei bekannte Münchener folgendermassen mit:
„Was sagen Sie von den Fliegenden Blättern?
Sind die nicht besonders gut ? Vor allem die Zeich-
nungen von Oberländer und Hengeler. Es sind
einige prachtvolle Zeichnungen von diesen beiden
Künstlern in der ersten Hälfte dieses Jahrgangs
(1887) namentlich im Tierfach. Ratten, Mäuse,
Frösche, Vögel und solch kleines Getier. Die
Stutzer, Damen usw. sind gut, aber die sind leichter."
Diese Sympathie, welche Keene für deutsche
Kunst hatte, wurde ihm von den Deutschen, mit
Ausnahme von Menzel, nicht mit entsprechender
Schätzung erwidert. Wenn er wetten wollte, dass
vier von sieben Mitgliedern der Royal Academy
von Chodowiecki nicht einmal den Namen kannten,
so kann man wohl auch glauben, dass ein ebenso
grosser Teil der Berliner Akademie-Mitglieder auch
jetzt noch niemals von Keene gehört hat!
Und doch war Keene ein sehr grosser Künstler,
wie übrigens direkt nach seinem Tode einstimmig
und mit Nachdruck bezeugt wurde, am besten
vielleicht von George Moore, der, für die outriert
französisch gesinnten Verirrungen seiner Jugend in
dem schärfst argumentierten Chauvinismus büssend,
gerade der Mann ist, den ganzen Wert des genialen
Punch-Zeichners zu schätzen.
„Der grosse Künstler", so schrieb dieser para-
doxalste aber auch markigste der englischen Schrift-
steller über moderne Kunst— „der grosse Künstler
ist Der, der am rassigsten auf seinem heimischen
Boden wurzelt, der am beharrlichsten sein Talent
in einer Richtung kultiviert hat, und in einer
Richtung allein, der sich am öftersten wiederholt
hat, der am gierigsten sich selbst gelebt hat. In
der Kunst bedeutet Eklektizismus Verlust des Cha-
rakters, und Charakter ist Alles in der Kunst." -—
Und nachdem er in einer glänzenden Tirade von
brutalen Behauptungen dieses Thema durchgeführt
hat, vor allem versichernd, dass Jeder ohne Um-
schaun und ohne Nebengedanken am liebsten be-
scheiden hinter der Tradition eines Meisters her
wandeln muss, plaidiert er weiter: „Charles Keene
suchte nie nach Originalität. Im Gegenteil, er be-
gann damit, demütig John Leech, den Erfinder der
Methode, nachzuahmen. Seine frühesten Zeich-
nungen waren kaum von denen von Leech zu unter-
scheiden. Er folgte bescheiden der Tradition, und
die Originalität beschlich ihn unbemerkt. Charles
Keene war kein Gelehrter, er dachte an wenig
anderes als an sein eigenes Talent und den verschie-
denartigen Aspekt des englischen Lebens, den zu
verbildlichen er die Macht besass, aber er kannte
vollkommen die Fähigkeiten seiner Begabung, die
Richtung, in der sie entwickelt werden konnte, —
und sein ganzes Leben war der Ausbildung dieses
Talentes gewidmet......"
In der That war er nur durch Gewissenhaftig-
keit und Klugheit und enorm angespannte Aus-
dauer zu etwas Starkem gelangt. Er ist nicht früh
reif gewesen. Noch mit siebenundzwanzig Jahren
war er Mitglied einer Zeichengesellschaft, wo man
glaubte, seiner Arbeit nur wenig Wert beilegen zu
müssen. Er hatte die harte Jugend eines Engländers
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