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WILHELM LEIBL, BILDNIS ROBERT FRANZENS
7. März 1898. (Hotel Cosmopolitain)
Jesus ist unser Herr und Richter! (Mentone)
Lieber Freund, ich liehe Sie an, alle Exemplare der
„Lysistrata" und alle unsittlichen Zeichnungen zu ver-
nichten. Zeigen Sie dies Pollitt und beschwören Sie ihn,
dasselbe zu rhun. Bei allem, was heilig ist, alle obscönen
Zeichnungen.
In meinem Todeskampf. Aubrey Beardsley.
«•
In diesen Wochen, wo man sich so vielfach mit Wil-
helm Busch beschäftigt, ist auch ein Bündchen mit sieben-
zig an eine holländische Schriftstellerin gerichteten
Briefen bei C.J. E. Volckmann Nf. in Rostock erschienen.
Diese Briefe runden das Bild der PersönlichkeitBuschens,
ohne eigentlich neue Züge hinzuzufügen. Es fällt auf,
dass den Briefschreiber nichts so sehr interessiert, als
mit Hülfe der Schopenhauerschen
Philosophie entwickelte Weltan-
schauungsgedanken. Der Dichter
Busch spricht selten, der Maler
fast nie; desto häufiger der Mo-
nist, dem lebensfrohe Skepsis und
poetisch vertiefende Resignation
zur Hälfte schliesslich den Willen
lähmten. Was der Maler zu sagen
hatte, kann hier vollständig zitiert
werden. Es ist so „modern" als
man es nur wünschen mag.
„.....Leider kenne ich Ihre
Literatur nur sehr wenig — da-
gegen sind mir Ihre grossen Maler
durchaus vertraut. Noch im vo-
rigen Herbst habe ich meinem
auserwählten Liebling Franz Hals
in Haarlem einen expressen Be-
such abgestattet . . . ."
.... Aber, beim Zeus, was
mir über alles geht, das sind Bil-
der, leibhaftige Bilder. Wie freu
ich mich darauf, wenn ich wieder
mal sitze im Hotel des Pays-bas
zu Amsterdam und mache mir
den guten Thee und gehe dann
hinüber zu Rembrandt, Hals und
Steen: das ist ein Stück von dem,
was unser Herrgott macht.....
.....Sie fragen, ob bei den
Malern nicht wenig Ideen zu fin-
den. — Was mich betrifft, sind
mir Ideen jene Schattenbilder des
Plato, die auf matt erleuchteter
Wand in ewigem Wechsel an uns
vorübergleiten: Berge, Wälder,
Könige, Bauern, Pferde , Schafe,
altes Porzellan und irdene Töpfe, und obendrein noch
Sie, mit Ihrem prächtigen Jungen, und das hübsche
Kind aus Potsdam, und Multatuli, sein Hund, und ich.
Die Sache interessiert uns; denn wir stecken aus
Herzensgrund dahinter und wissen nicht wie. — Dar-
um, wer dies, lebendig, deutlich aufgefasst, uns zeigen
kann, der trete vor! Shakespeare, Rubens, Hals, Potter
und Brouwer; aber hinaus mit den Photographen! Da
haben wirs! Ein brauner Krug, mit einem Glanzlicht
drauf, ist mir bereits Idee. Geht dann so ein Ding durch
ein originelles Menschenhaupt und eine geschickte
Hand, so wird, der Teufel weiss, ein Bild daraus. Ich
habe bei Teniers und Brouwer unglaublich „geestige"
Töpfe gesehen......
.....Also die Fr. Hals bei den Tanten in Haarlem
sollen verkauft werden? Stehen gut im Preise ietzund!
Günstige Spekulation für die alten Beginneken ! Aber
ich will doch hoffen, dass diese wundervollen Dinse sich
390
WILHELM LEIBL, BILDNIS ROBERT FRANZENS
7. März 1898. (Hotel Cosmopolitain)
Jesus ist unser Herr und Richter! (Mentone)
Lieber Freund, ich liehe Sie an, alle Exemplare der
„Lysistrata" und alle unsittlichen Zeichnungen zu ver-
nichten. Zeigen Sie dies Pollitt und beschwören Sie ihn,
dasselbe zu rhun. Bei allem, was heilig ist, alle obscönen
Zeichnungen.
In meinem Todeskampf. Aubrey Beardsley.
«•
In diesen Wochen, wo man sich so vielfach mit Wil-
helm Busch beschäftigt, ist auch ein Bündchen mit sieben-
zig an eine holländische Schriftstellerin gerichteten
Briefen bei C.J. E. Volckmann Nf. in Rostock erschienen.
Diese Briefe runden das Bild der PersönlichkeitBuschens,
ohne eigentlich neue Züge hinzuzufügen. Es fällt auf,
dass den Briefschreiber nichts so sehr interessiert, als
mit Hülfe der Schopenhauerschen
Philosophie entwickelte Weltan-
schauungsgedanken. Der Dichter
Busch spricht selten, der Maler
fast nie; desto häufiger der Mo-
nist, dem lebensfrohe Skepsis und
poetisch vertiefende Resignation
zur Hälfte schliesslich den Willen
lähmten. Was der Maler zu sagen
hatte, kann hier vollständig zitiert
werden. Es ist so „modern" als
man es nur wünschen mag.
„.....Leider kenne ich Ihre
Literatur nur sehr wenig — da-
gegen sind mir Ihre grossen Maler
durchaus vertraut. Noch im vo-
rigen Herbst habe ich meinem
auserwählten Liebling Franz Hals
in Haarlem einen expressen Be-
such abgestattet . . . ."
.... Aber, beim Zeus, was
mir über alles geht, das sind Bil-
der, leibhaftige Bilder. Wie freu
ich mich darauf, wenn ich wieder
mal sitze im Hotel des Pays-bas
zu Amsterdam und mache mir
den guten Thee und gehe dann
hinüber zu Rembrandt, Hals und
Steen: das ist ein Stück von dem,
was unser Herrgott macht.....
.....Sie fragen, ob bei den
Malern nicht wenig Ideen zu fin-
den. — Was mich betrifft, sind
mir Ideen jene Schattenbilder des
Plato, die auf matt erleuchteter
Wand in ewigem Wechsel an uns
vorübergleiten: Berge, Wälder,
Könige, Bauern, Pferde , Schafe,
altes Porzellan und irdene Töpfe, und obendrein noch
Sie, mit Ihrem prächtigen Jungen, und das hübsche
Kind aus Potsdam, und Multatuli, sein Hund, und ich.
Die Sache interessiert uns; denn wir stecken aus
Herzensgrund dahinter und wissen nicht wie. — Dar-
um, wer dies, lebendig, deutlich aufgefasst, uns zeigen
kann, der trete vor! Shakespeare, Rubens, Hals, Potter
und Brouwer; aber hinaus mit den Photographen! Da
haben wirs! Ein brauner Krug, mit einem Glanzlicht
drauf, ist mir bereits Idee. Geht dann so ein Ding durch
ein originelles Menschenhaupt und eine geschickte
Hand, so wird, der Teufel weiss, ein Bild daraus. Ich
habe bei Teniers und Brouwer unglaublich „geestige"
Töpfe gesehen......
.....Also die Fr. Hals bei den Tanten in Haarlem
sollen verkauft werden? Stehen gut im Preise ietzund!
Günstige Spekulation für die alten Beginneken ! Aber
ich will doch hoffen, dass diese wundervollen Dinse sich
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