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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 11
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Du Camp, Maxime: Delacroix und Ingres
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0574

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Kaffeetasse in der Hand, stürzte er auf Delacroix
los, der vor dem Kamin stand, mit den Worten:
„Herr, Zeichnen, das ist Anstand; Herr, Zeichnen,
das ist Ehrensache". — Dabei regte er sich derart
auf, dass er seinen Kaffee über Hemd und Weste
warf schrie: „das ist zu stark", seinen Hut ergriff
und erklärte: „Ich gehe, ich lasse mich nicht länger
beleidigen!" Man drängte sich um ihn, wollte ihn
beruhigen, zurückhalten. Vergebens. An der Thür
drehte er sich nochmals um: „Jawohl, Anstand!
Jawohl, Ehrensache!" — Delacroix war ruhig ge-
blieben. Diaz, der ebenfalls da war, schlug auf
sein Holzbein und äusserte zu der völlig bestürzten
Frau des Hauses: „Gnädige Frau, er bleibt ein alter
Bonze. Nur aus Respekt vor Ihnen habe ich ihm
meinen Flegel (das Holzbein) nicht vor den Wanst
geschlagen." Alles lachte, aber der Zwischenfall
war doch zu auffällig gewesen und die allgemeine
Stimmung hatte gelitten. Delacroix bewies seine

gute Erziehung und sprach über Ingres Fähigkeiten
als Künstler, indem er anfügte: „Genie wird Einem
manchmal nur unter der Bedingung, etwas exklusiv
sein zu dürfen, verliehen".

Der Bildhauer Preault, der so viele gute Witze
und so wenige gute Statuen gemacht hat, pflegte
von Ingres und Delacroix zu sagen: „Feindliche
Brüder, die Beiden, aber alle zwei sind krank: Eteo-
kles und Polyneikes, der Eine mit der Gelbsucht,
der Andre mit dem Scharlach". — Solche Spässe
brachten Ingres ausser sich, aber Delacroix, der Ver-
stand besass und Preault leiden mochte, lachte dar-
über. Man hat Preault thörichterweise mit Delacroix
verglichen. Die Zeit wird den Ungeheuern Abstand,
der in Wirklichkeit zwischen Beiden liegt, sicher
noch vergrössern. Denn das Werk von Eugene
Delacroix wird allein lebendig bleiben, es ist die
Schöpfung eines ganz einzig dastehenden Tempera-
ments.

EUGENE DELACROIX, LÖWENKOPF, ZEICHNUNG

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