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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 8.1910

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Heft 12
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Servaes, Franz: Ein Streifzug durch die Wiener Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3548#0601

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tiefsinnig-spielerische Neigung zum Hineingeheim-
nissen symbolischer Beziehungen. Um endlich den
neuesten Klimt ganz zu verstehen, muss man um
seine engen Beziehungen zu den Moser-Hoffmann-
schen „Wiener Werkstätten" wissen. Dies erklärt
den immer sichtbarer hervortretenden Stich ins
Kunstgewerbliche bei Klimts Malerei: die oft starr
flächenhafte Wirkung, die fast geometrisch strenge
Raumeinteilung, das Bibelotartige der Gesamt-
erscheinung, das Hervortreten schmuckhafter Über-
ladungen. Es ist ohne weiteres verständlich, dass
Künstler, die die Malerei als handwerklichen Selbst-
zweck betreiben und die grosse Tradition der
Tizian, Rubens, Rembrandt und Velasquez heilig
halten, oder auf Manet, Monet und Liebermann
schwören, eine Erscheinung wie die Klimts a limine
ablehnen. Der Kunstrichter wird solch einem Ur-
teil nicht beipflichten dürfen. Er muss von berufs-
wegen weiter blicken. Er muss der Mann mit dem
doppelten Herzen sein. Er muss von Allem, was
gross ist, auch das Gegenteil gelten lassen — wo-
fern auch dieses wieder einen Zug ins Grosse zeigt.

Ist dieser „Zug ins Grosse" bei Klimt vorhanden?
Darüber stehen die Meinungen schroff widerein-
ander. Es giebt Kenner, die diesen Künstler klein-
lich, zierlich, zärtlich und süsslich finden, kurz, im
übelsten Sinne „wienerisch". Es gibt andere —
und man wird sie nicht überhören dürfen — die
preisen in Klimt einen Bahnbrecher zu neuer Monu-
mentalität, einen Wiederfinder verlorener alter
Formreize (Byzantiner, Crivelli, Botticelli), einen
Vollender steckengebliebener Schöpferintentionen
(KhnopfF, Toorop, Beardsley), vor allem einen
eigenartigen Schönheitskünder von erlesenster
Prägung. Ich glaube, dass man Klimts eigensinnige
Schwächen, vor allem die Gefährlichkeit seines Bei-
spiels für die unreife Künstlerjugend nicht zu über-
sehen braucht und dennoch den Bestrickungen dieses
Zauberkünstlers mit Genussfreudigkeit sich hin-
geben darf. Verlange man doch vom Künstler nichts
anderes als eben: seine Welt! Und tauche man doch
in diese Welt, auch wenn sie eine fremde, feierliche,
frauenhaft süsse und zugleich frauenhaft spröde ist,
mit derNaivetät eines Kindes und ohne verstimmende

A. D. GOLTZ, WEINERNTE

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