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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 3
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Waldmann, Emil: Französische Bilder in amerikanischem Privatvbesitz, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0147

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für die man die Motivierung nicht sieht, etwas
Merkwürdiges. An sich betrachtet aber wirkt dieses
Daliegen ganz frei und natürlich, wie nach dem
Leben aufgenommen. Das ist aber nicht ganz der
Fall, Manet hat sich hier von dem berühmten Toten
Roland der National-Gallery in London anregen
lassen, der früher dem Velasquez zugeschrieben
wurde, jetzt atrer bei Einigen als neapolitanisch gilt
(Abb. S. 13 6). Die Übereinstimmungen zwischen
diesen beiden Bildern gehen in der That sehr weit,
die Abweichungen aber
bedeuten Verbesserun-
gen gegenüber dem Vor-
bild. Manet, der dieses
Werk aus einem Schab-
kunstblatt kennen
mochte, hat die Erschei-
nung zu grösserer Klar-
heit durchgearbeitet, ihr
vor allen Dingen da-
durch, dass erden linken
Arm abstreckt und beide
Beine sichtbar werden
lässt, mehr Gleichge-
wicht gegeben. Die
Drehung des Kopfes auf
die Schulter entspricht
nicht nur der Wirklich-
keit in höherem Masse,
sondern verfeinert auch
wesentlich den Rhyth-
mus*.

Das Jahr 1863 war
für Manet besonders
fruchtbar, eine Reihe
von Meisterwerken ent-
stand damals, daneben
auch eine Anzahl klei-
nerer Kostbarkeiten. Zu diesen gehört die „Posada"
(Slg. A. A. Pope, Farmington, Connecticut), ein Bild

* Seitdem Willy Pastor (10. V. 1910. Tägliche Rundschau)
entdeckt hat, dass auf der Erschiessung Maximilians zwei
von den Zuschauern auf der Mauer im Hintergrunde von Ra-
faels sixtinischen Engeln entlehnt sind — was für ihn genügte,
um über Manets „Phantasielosigkeit" den Stab zu brechen —,
seitdem er dort auch das Märchen erzählt hat, dass Paulis
Entdeckung von einem Zusammenhang zwischen dem Dejeuner
sur l'herbe und einer Zeichnung Raffacls den Manetfreunden
unangenehm gewesen sei, seitdem erfüllt den wahren Manet-
freund jede neue Entdeckung solcher Plagiate mit aufrichtiger
Freude. Denn vielleicht gehen auf diese Weise durch immer
wiederholtes Vergleichen der betreffenden Werke selbst dem
Blindesten die Augen darüber auf, was es denn mit solchen
Entlehnungen auf sich hat: dass es nämlich bei Manet stets
sehr geistvolle Paraphrasen sind, und dass noch seine „Pla-
giate" Zeugnis ablegen von seiner künstlerischen Weisheit.

EDUARD MANET,
SAMMLUNG G.

in Querformat, etwa einen halben Meter breit. Dar-
gestellt ist ein kahles Zimmer, in dem Toreros
warten oder ausruhen; einer, vom Rücken gesehen,
lüftet den Hut vor einer Madonnenstatuette in
einer Wandnische, wahrscheinlich muss er jetzt in
den Kampfund fleht um Schutz. Das ganze, sehr
raumtiefe Bild mit den vielen Figuren ist leicht
und dünn gemalt, die Oberfläche schimmert wie
geschliffenes Emaille und der Farbeneindruck ist
wie der eines leuchtenden Opals.

Aus der grossen Zahl
der Einfigurenbilder aus
der zweiten Hälfte der
sechziger und dem An-
fang der siebziger Jahre,
von denen der Schau-
spieler Rouviere als
Hamlet von 1866 (Slg.
G. Vanderbilt), (Abb.
S. 95), die Dame mit
dem Papagei (1867.
Metropolitan Museum,
Schenkung eines Privat-
sammlers) (Abb. Jahrg.
VIII, S. 2^7) und der
„Reposc; von 1 870 (Slg.
G. Vanderbilt) (Abb.
S. 137) die bekannte-
sten sind, sei allein die
fast unbekannte Gitarre-
spielerin von 1 867 (Slg.
Pope, Farmington) her-
vorgehoben (Abb. S.
97). Das ziemlich
grosse Gemälde (<$<$X
8 3 cm.) ist im wesent-
lichen eine Harmonie in
Schwarz, Weiss und
Grau, bereichert durch das Dunkelorange der Gi-
tarre mit weinrotem Band, das Giftgrün des Papa-
geis und das Rotblond des Haares mit dem himmel-
blauen Band. Als Fleischton wirkt jenes feine Bern-
steingelb mit dem zarten rosa Hauch darüber, das
diesem Modell eigen gewesen sein muss, dieser
Victorine Meurend, die wir als Femme au perroquet,
alsChanteuse des rues und als Espada kennen. Ohne
Zweifel gehört dieses Bild zu Manets glücklich-
sten Schöpfungen, ganz rein und geistig in der
Wirkung, mit prachtvollen formalen Details, wie
etwa der im Gelenk gestreckten Hand. Auch
menschlich ist es sehr sympathisch, der ganze Adel

LE REPOS. 1870.

VANDERBILT.

M7
 
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