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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 1
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Hancke, Erich: Joseph Israëls
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0068

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„Wenn man alt wird", „Allein auf der Welt", „Ein Sohn
des alten Volkes" und so weiter.

Wenn auch die Arbeiten seiner späteren Jahre dem
Geschmack des holländischen Volkes nicht mehr so zu-
sagen konnten, wie die doch weniger bedeutenden, mit
denen er zuerst ihren Beifall gewonnen, so wirkte doch
mehr und mehr seine würdige, kluge Persönlichkeit auf
sie, sein hohes Alter sein unermüdlicher Fleiss und nicht
zuletzt die Ehrungen, die sie von allen Seiten ihm er-
weisen sahen. Die Zusammenstellung „Rembrandt und
Israels" ist ihnen gang und gäbe geworden.

Israels hat seinen Weg nicht schnell gefunden. Mit
sentimentalen Genrebildern, die stark an die Düssel-
dorfer Schule erinnern, fing er an. Auch Historien-
bilder malte er. Sein Emporkommen datiert von einem
Aufenthalt in Zantvoort, damals noch einem kleinen
Fischerdorf, wo ihm im Zusammenleben mit der armen
Bevölkerung Herz und Auge aufging. Der Darstellung
der Mühseligen und Beladenen blieb seine Kunst von da
an gewidmet. Aber wie er seine Figuren in einen wei-
chen, verschwimmenden Ton hüllte, so umhüllte er auch
Armut und Elend mit einer rührenden Poesie, die seinen
Werken einen entschieden lyrischen Charakter giebt.
Er war ein Stimmungsmaler wie es Rembrandt gewesen,
wenn auch ohne dessen malerische Kraft. Eigentlich
ist seine ganze Entwicklung ein Kampf gegen die Malerei,
die er in ihren eigentümlichen Qualitäten immer mehr
einem ausser ihr Liegenden unterordnete. Und gerade
in seinen am wenigsten gemalten Werken ist er am
meisten er selbst.

Wie wird die Nachwelt über ihn urteilen? Wird
sie über seinen grossen menschlichen Eigenschaften der
Einfachheit, Wahrhaftigkeit, Wärme und Grösse, ver-
gessen, was ihm an malerischer Entschiedenheit gebrach?
Eins wird sie vielleicht nicht nach der vollen Bedeutung,
die er für unsere Tage hatte, schätzen können: die an-
regende Kraft seiner so innerlichen Kunst.

Ein merkwürdiges Zusammentreffen hat es gefügt,
dass nur kurze Zeit vor Israels Tode das Amsterdamer
Reichsmuseum in den Besitz einer grossen Sammlung
seiner Bilder gekommen ist, die ihm Herr Drukker in
London, dem das Museum auch seine vielen Maris ver-
dankt, überliess. Es sind zwölf Ölbilder und neun Aqua-
relle, sämtlich aus den letzten dreissig Jahren des Künst-
lers, und manche Hauptwerke darunter. Israels wird dort
von nun an — das Museum besass schon das bekannte
„Wenn man alt wird" und mehrere schöne Porträts von
ihm — in einer Weise vertreten sein, die seinem Range
unter den holländischen Künstlern entspricht.

Vieles von deutschen Ausstellungen her Bekannte
findet man wieder: das grosse „Auf mühseligen
Wegen", eine alte Frau, die neben ihrem, von einem
abgehetztem Hunde gezogenen Karren daherwankt.
Ein Bild, das in der Malerei an Liebermann, in der
Empfindung an Uhde erinnert. Die „Späte Stunde"

eine weite, von der schmalen Mondsichel dämmrig be-
leuchtete Landschaft mit einer jungen Frau, die, ihr
Kind auf dem Arm, aus einem Dorfe herkommt, und
„Mutterglück" ein grosses Interieur mit Figuren.

Ein kleines Bild, „Adam und Eva" lässt uns daran
denken, dass Israels auch öfters Motive aus dem alten
Testamente behandelte, zum Beispiel sein Lieblingsthema:
,,Saul und David".

Unter den sehr schönen Aquarellen ragen hervor
eine etwas abweichende Fassung des Bildes „Ein Sohn
des alten Volkes", merkwürdig dadurch, dass zwischen
den Knien des Vaters ein kleines krausköpfiges Mädel
steht, das auf dem grossen Bilde fehlt, zwei „Heim-
kehrende Mäher", ein „Lesender Rabbiner" und ein
„Angler unter einer Weide", der in einem schmalen
eine frischgrüne Wiese begrenzenden Graben angelt.
Ein Bild, das als Motiv ebenso charakteristisch für
Holland ist wie in der verwaschenen aber sehr fein-
tonigen und luftigen Malerei für die Art des Künst-
lers. —

Das interessanteste der Bilder aber ist eine grosse
„Judenhochzeit" vomjahre 1890 mit fast lebensgrossen
Figuren. Israels war so sehr Jude in jedem Gedanken
und in jedem Pinselstrich, dass es nicht zu verwundern
ist, wenn er in Stoffen aus dem jüdischen Leben sein
Bestes giebt. Seine Juden sind um vieles wahrer als seine
Bauern. Wie sehr ihn in der Judenhochzeit der Stoff
interessierte, sieht man an der grossenSachlichkeit, neben
der sogar der Effekt des Kerzenlichtes zu kurz kommt.
Es ist eine figurenreiche Leinwand, aber das eigentliche
Bild sowohl als Komposition wie als Malerei ist die
Gruppe des Brautpaares, das unter einem schwarz und
weiss gestreiften Gebetmantel vereinigt steht, während
der Bräutigam den Ring an den Finger der Braut steckt.
Unverkennbar hat Rembrandts Bild den Künstler inspi-
riert, doch ohne seine Selbständigkeit im geringsten
zu beeinträchtigen. Während Rembrandts Juden an
Shakespearesche Gestalten erinnern, sind die Israelschen
dieselben, die man alle Tage in den Strassen des Amster-
damerjudenviertels treffen kann. Vielleicht ist in ihnen
das Typische etwas summarisch unterstrichen. Keines-
wegs aber in dem Bräutigam, der eine ausgezeichnete
Figur und vorzüglich gemalt ist. Diesen schwarzge-
kleideten Mann, dessen Cylinderhut in so eigenartiger
Weise von dem schwarzweissen Tuche überschnitten
wird, mit seinen weissen arbeitsungewohnten Händen
und dem blonden scharfgeschnittnen Gesicht kann man
nicht leicht vergessen. In der Malerei sind hier die
Gegensätze zwischen dem Schwarz und den hellen Tönen
des Fleisches von einer Entschiedenheit, die man an
Israels nicht kennt. Hoffentlich bleibt diese schöne
Sammlung, die der dem Tode nahe Meister sicher mit
Stolz in dem selben Reichsmuseum wusste, das die Ge-
genstände seiner höchsten Bewunderung: die Nachtwache
und die Staalmeesters Rembrandts beherbergt, dem
Museum auch dauernd erhalten.

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