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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 1
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0074

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CHRONIK

«i

ie Nachricht, daß aus dem Louvre Liona-
dos Mona Lisa gestohlen worden ist, hat
unter den Gebildeten aller westlichen Kul-
turländer weniger Schrecken und Trauer
hervorgerufen als vielmehr jene grimmige
Heiterkeit, wie sie vor einigen Jahren der falsche Haupt-
mann von Köpenick zu verbreiten gewusst hat. Damals
wurde mit einem gewissen Recht gesagt, die Köpenicker
Affäre hätte sich nur im Militärstaat Preussen ereignen
können; jetzt kann mit demselben Recht konstatiert
werden, dass ein solcher Eulenspiegel-Diebstahl wohl
nur in einem französischen Museum denkbar ist. Es
überwiegt die Spottlaune um so mehr, als die Wahrschein-
lichkeit gross ist, daß ein aller Welt in diesem Maasse
bekanntes Bild nicht dauernd verschwunden bleiben
kann. Zudem hat die Berühmtheit der Mona Lisa
so viele Kopien und Reproduktionen gezeitigt, dass der
kommenden Generation Ersatzmaterial die Fülle bleibt.
Noch mehr unfruchtbare Vermutungen an den
Diebstahl zu knüpfen, als es schon geschehn ist, lohnt
sich nicht; und auch die gute Gelegenheit, gegen das
Ärgernis erregende Kopisten- und Photographenwesen
in vielen Museen zu wettern, soll nicht benutzt werden.
Interessanter scheint uns dieFrage, welcherNutzenselbst
aus diesem Vorfall noch gezogen werden könnte. Aus
allem Nutzen zu ziehen ist ja das Kennzeichen des
Weisen.

Da ist nun zu sagen, dass die Mona Lisa schon seit
vielen Jahren eine höchst bedenkliche Diktatur ausübt.
Die öffentliche Meinung hat dieses Werk zu einem ein-
samen Gipfel menschlichen Kunstvermögens gemacht,
und nun strömte das Publikum aller Länder, der Sugge-
stionunterliegend, vor diesem in derlhat fascinierenden
Meisterwerk staunend zusammen. Es vergass darüber
nicht nur Leonardo, der doch mehr ist als seine Mona
Lisa, sondern es wurde blind auch gegen vieles, was es
neben diesem Bilde noch giebt. Die Mona Lisa ist allge-
mach zu einem Superlativbegriff geworden, so wie der
höchste Berg einer ist, der breiteste Strom oderdergrösste
Diamant. Sie gilt als Kuriosität, ähnlich wie Raffaels
Sixtinische Madonna in Dresden. Mit lebendigem
Kunstgefühl hat solche Schätzung aber kaum noch etwas
zuthun; sie stumpfte vielmehr für all dieHerrlichkeiten in
den andern Sälen des Louvre ab, da sie die Idee er-
weckte, man hätte das Höchste nun gesehen, und alles
was noch käme wäre zweiten Grades. Die Mona Lisa
ist ganz gewiss eine Vollkommenheit, aber viele andere

Bilder sind es nicht minder. Es giebt Kunstwirkungen,
die dieses weltberühmte Bild nicht einmal andeutet.

Wenn nun also dieses bekannteste und tiefste Werk
der Ideenmalerei mit dem nichtswürdig verführerischen
Sibyllenlächeln eine Weile — hoffen wir: nur eine Weile
— aus demLouvre verschwindet, so kommt das vielleicht
anderen Meistern — Tizian und Rembrandt, aber auch
dem Leonardo der „heiligen Anna selbdritt" — zugute.
Es sind soviele Vermutungen, verständige und phanta-
stische, über die Art des Diebstahls laut geworden, dass
man im Scherz die Hypothese aufstellen mag, es sei ein
fanatischer Erzieher zu gesünderem Kunstgenuß, der
den zum Louvre Wallfahrenden für eine Weile den
lähmenden Anblick des göttlichen Dirnenlächelns der
Mona Lisa entziehen will.

K. S.
4*

Im Frankfurter Kunstverein findet am 3 i. Oktober
die Versteigerung einer kleinen, auswärts wenig bekannt
gewordenen Sammlung von Gemälden alter, meist nieder-
ländischer Meister statt, die im wesentlichen in den
siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammen
gebracht worden ist. Es ist die Sammlung des Herrn
Jacob Klein. Bereits im vorigen Jahr gab Herr Klein
eineSammlung vonHandzeichnungen zur Versteigerung;
doch wurde diese Kollektion damals vor der schon an-
gesetzten Auktion von einer süddeutschen Kunsthand-
lung en bloc erworben. Diese Gemäldesammlung soll
nun auf alle Fälle öffentlich versteigert werden. Der
von Dr. Hofstade du Groot ausgearbeitete Katalog er-
scheint anfangs Oktober.

Wir erwähnen nochmals, daß die bekannte Münche-
ner Sammlung des Herrn Kommerzienrat A. Sturm am
24. Oktober bei Heibig in München zur Versteigerung
gelangt.

In Kopenhagen hat die bekannte Sammlung Hirsch-
sprung, nachdem alle Schwierigkeiten, die sich einer
Lösung der Aufgabe entgegen gestellt hatten, beseitigt
worden sind, nunmehr ihr neues Haus bezogen. Der
Name Emil Hannovers bürgt dafür, daß der Einrichtung
und Aufstellung besondere Sorgfalt gewidmet worden
ist. Wir kommen auf die Sammlung gelegentlich noch
zurück.

HS-

6z

ra«rtit.tt«AM.
 
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