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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 7
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Gauguin, Paul: Degas
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0351

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ED. DEGAS, RENNPFERDE

DEG AS

VON

PAUL GAUGUIN

'er kennt Degas? Niemand? Das wäre eine
Übertreibung. Immerhin nur wenige. Ich

^ meine, was man gut kennen nennt. Aber
selbst dem Namen nach ist er für die vielen Millionen
Zeitungsleser ein Unbekannter. Nur die Maler,
viele aus Furcht, andere aus Respekt, bewundern
Degas. Aber verstehen sie ihn auch wirklich?

Degas wurde geboren im....., ja, ich weiss

nicht, in welchem Jahre; aber es muss schon furcht-
bar lange her sein, denn er ist alt wie Methusalem.
Ich sage Methusalem, weil ich mir denke, dass
Methusalem mit hundert Jahren ungefähr wie ein
dreissigjähriger Mann von heutzutage gewesen sein
muss.

Ja wirklich, Degas bleibt immer jung.

Er respektiert Ingres, woraus folgt, dass er sich
selbst respektiert. Mit seinem Zylinder und den
blauen Brillengläsern sieht er wie der richtige

* Gauguin schrieb diese Worte einige Monate vor seinem
Tode, am 20. Januar 1903 auf Dominika, einer der Inseln der
Markesas-Gruppe.

Notar aus, wie ein Bürger aus der Zeit Louis
Philipps, den Regenschirm nicht zu vergessen.

Wenn es einen Menschen giebt, dem nichts
daran liegt, wie ein Künstler auszusehen, so ist es
Degas: er ist ja so ganz Künstler! Und dann ver-
abscheut er jede Livree, selbst diese. Er ist ein aus-
gezeichneter Mensch, jedoch da er Geist hat, gilt er
für boshaft. Aber ist das dasselbe, boshaft und bös-
artig?

Ein junger Kritiker, der die Manie hat, eine
Meinung so auszugeben, wie die Auguren ihre
Aussprüche, sagte von ihm: „Degas? gutmütig und
ungehobelt." Degas ungehobelt! Er, der sich auf
der Strasse wie ein Gesandter bei Hofe hält! Und
gutmütig! Wie trivial! er ist weit mehr als das.
Degas hatte in früheren Zeiten ein altes, holländi-
sches Dienstmädchen, ein Familienerbstück, die
trotzdem oder vielleicht gerade darum unausstehlich
war. Eines Tages bedient sie bei Tisch; Monsieur
war nicht zum Sprechen aufgelegt. Das Glocken-
geläute von Notre-Dame de Lorette wurde nach-

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