BERNH. HOTGER, HALBFIGUR IN BRONZE
AUSSTELLUNG DES KÜNSTLERBUNDES IN BREMEN
des trockenen doktrinären Naturalismus der achtziger
Jahre; sie kommen einher mit der Miene verbissener
und gereizter Schulmeister. Wir sehen Impressionisten
aller Schattierungen und schliesslich einGrüppchen jener
Neuesten, die sehnsüchtig und unbeholfen die ersten
Worte einer neuen Formensprache stammeln. — Natür-
lich herrschen die Impressionisten bei weitem vor. Immer
noch — aber auf wie lange? — In der Kunst folgen die
Generationen sich rascher als im Menschenleben, und
die Wege der nächsten Zukunft sind bei der Minderheit
von heute zu erfragen. Unverkennbar drängt es jetzt
von allen Seiten nach einem einheitlichen beherrschen-
den Stil. Umsonst ist das Wort Synthese nicht ein bis
zum Überdruss verbrauchtes Schlagwort der modernen
Kritik geworden.
Die Ausstellung ist angenehm klein: 239 Gemälde,
einige achtzig Skulpturen und eine gewählte Abteilung
von Zeichnungen und Pastellen. Dass sie manches
Ältere enthält, kann ihr nur zum Vorzug gereichen, da
es der Hebung des Niveaus zu statten kommt.
Glücklicherweise waren Trübners Einjähriger, eine
Reihe feiner älterer Habermanns, der Samariter und die
Strandreiter Liebermanns, Corinths Bathseba, das Maler-
bildnis seiner Frau und etliche Hauptbilder von Slevogt
den Bremern noch nicht gezeigt worden. Mögen sie
ihnen gut bekommen.
Unter Liebermanns Arbeiten fällt ein neues Selbst-
porträt auf, ein neues Zeugnis seiner merkwürdigen
Entwicklungsfähigkeit, einer höheren Vitalität, die der
Gesetze des Alters spottet. Liebermann ist seit einiger
Zeit koloristischer geworden und hat Bilder gemalt von
einem tiefen Wohlklang der Farbe, den er früher zu
verschmähen schien. Sein Selbstbildnis ist von einer
lichten weichen Farbigkeit in dem Zusammenklingen der
blaugrauen Töne des Anzugs und des Hintergrundes
mit dem Inkarnat. In Haltung und Blick liegt etwas
wie Müdigkeit, doch lebt in jedem Strich die alte Mei-
sterschaft des Vergeistigens. Auch Kalckreuth erscheint
mit einem Selbstbildnis, sommerlich angethan mit dem
Strohhut auf dem Kopfe, schlicht und vornehm wie wir
ihn als Menschen und Maler kennen und gern haben.
Von Trübner sind ausser dem altmeisterlich feinen
Bildnis des Einjährigen ein paar seiner sieghaften Land-
schaften da, wie er sie zur Sommerszeit im Schlosse
Hemsbach zu malen liebt, prachtvoll in leuchtendem
Grün, Rot, Grau. Es giebt keine Farbe, die da nicht
leuchtete. Kurz, die Führer sind gut und würdig ver-
treten. Zu besonderen Anmerkungen regen vielleicht
Habermann und Slevogt an und zwar, weil sie beide,
trotz aller offenbaren und grossen Verschiedenheiten
irgend etwas Gemeinsames haben. Wie es zu definieren
wäre, ist nicht leicht zu sagen - es liegt im Tempera-
ment, in der Rasse, im Tempo und ist etwas, das die
Europäer den Deutschen für gewöhnlich absprechen —
Anmut des Geistes, vielleicht nur das. Der Historiker
könnte es für ein atavistisches Erwachen von Rokoko-
AD. ERBSLOH, AKT
AUSSTELLUNG DES KÜNSTLERBUNDES IN BREMEN
I 1
AUSSTELLUNG DES KÜNSTLERBUNDES IN BREMEN
des trockenen doktrinären Naturalismus der achtziger
Jahre; sie kommen einher mit der Miene verbissener
und gereizter Schulmeister. Wir sehen Impressionisten
aller Schattierungen und schliesslich einGrüppchen jener
Neuesten, die sehnsüchtig und unbeholfen die ersten
Worte einer neuen Formensprache stammeln. — Natür-
lich herrschen die Impressionisten bei weitem vor. Immer
noch — aber auf wie lange? — In der Kunst folgen die
Generationen sich rascher als im Menschenleben, und
die Wege der nächsten Zukunft sind bei der Minderheit
von heute zu erfragen. Unverkennbar drängt es jetzt
von allen Seiten nach einem einheitlichen beherrschen-
den Stil. Umsonst ist das Wort Synthese nicht ein bis
zum Überdruss verbrauchtes Schlagwort der modernen
Kritik geworden.
Die Ausstellung ist angenehm klein: 239 Gemälde,
einige achtzig Skulpturen und eine gewählte Abteilung
von Zeichnungen und Pastellen. Dass sie manches
Ältere enthält, kann ihr nur zum Vorzug gereichen, da
es der Hebung des Niveaus zu statten kommt.
Glücklicherweise waren Trübners Einjähriger, eine
Reihe feiner älterer Habermanns, der Samariter und die
Strandreiter Liebermanns, Corinths Bathseba, das Maler-
bildnis seiner Frau und etliche Hauptbilder von Slevogt
den Bremern noch nicht gezeigt worden. Mögen sie
ihnen gut bekommen.
Unter Liebermanns Arbeiten fällt ein neues Selbst-
porträt auf, ein neues Zeugnis seiner merkwürdigen
Entwicklungsfähigkeit, einer höheren Vitalität, die der
Gesetze des Alters spottet. Liebermann ist seit einiger
Zeit koloristischer geworden und hat Bilder gemalt von
einem tiefen Wohlklang der Farbe, den er früher zu
verschmähen schien. Sein Selbstbildnis ist von einer
lichten weichen Farbigkeit in dem Zusammenklingen der
blaugrauen Töne des Anzugs und des Hintergrundes
mit dem Inkarnat. In Haltung und Blick liegt etwas
wie Müdigkeit, doch lebt in jedem Strich die alte Mei-
sterschaft des Vergeistigens. Auch Kalckreuth erscheint
mit einem Selbstbildnis, sommerlich angethan mit dem
Strohhut auf dem Kopfe, schlicht und vornehm wie wir
ihn als Menschen und Maler kennen und gern haben.
Von Trübner sind ausser dem altmeisterlich feinen
Bildnis des Einjährigen ein paar seiner sieghaften Land-
schaften da, wie er sie zur Sommerszeit im Schlosse
Hemsbach zu malen liebt, prachtvoll in leuchtendem
Grün, Rot, Grau. Es giebt keine Farbe, die da nicht
leuchtete. Kurz, die Führer sind gut und würdig ver-
treten. Zu besonderen Anmerkungen regen vielleicht
Habermann und Slevogt an und zwar, weil sie beide,
trotz aller offenbaren und grossen Verschiedenheiten
irgend etwas Gemeinsames haben. Wie es zu definieren
wäre, ist nicht leicht zu sagen - es liegt im Tempera-
ment, in der Rasse, im Tempo und ist etwas, das die
Europäer den Deutschen für gewöhnlich absprechen —
Anmut des Geistes, vielleicht nur das. Der Historiker
könnte es für ein atavistisches Erwachen von Rokoko-
AD. ERBSLOH, AKT
AUSSTELLUNG DES KÜNSTLERBUNDES IN BREMEN
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