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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 10
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0536

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CHRONIK

eit die vielbesprochene Broschüre des Worps-
weder Malers Vinnen erschienen ist, wird in
Bremen noch ein besonderer Kunstkampf aus-
gefochten. Er richtet sich gegen Gustav
Pauli, den Leiter der Kunsthalle, und beweist
also, dass die Kunsthalle zu den kräftig sich entwickeln-
den, zu den das Musterhafte anstrebenden Museen für
moderne Kunst zählt. Der Kampf, den Pauli jetzt aus-
fechten muss, ist durchaus typisch; es ist in Bremen nun
nicht anders wie es einmal in Hamburg und Berlin
war, wie es in Mannheim und Hagen noch ist und wie
es in mancher deutschen Stadt noch sein wird. Die
Leser von „Kunst und Künstler" kennen Gustav Pauli
zur Genüge als Mitarbeiter, um von vornherein zu
wissen, dass er siegen wird; wie Lichtwark und Tschudi
gesiegt haben. Er wird siegen weil er recht hat, weil
er die Sache meint und die Sache verstellt und weil er
ein sehr rüstig ritterlicher Kämpfer ist. Die Art, zum
Beispiel, wie er den auch hier schon charakterisierten
Mannheimer Rechtsanwalt Theodor Alt, (Band X Seite
223) den sich die Bremer Reaktionären als Helfer ver-
schrieben hatten, lachend in den Sand gestreckt hat (in
einem ausgezeichneten Vortrag „Die Aufgaben des
modernen Kunstmuseums", der auch gedruckt bei Franz
Leuwer in Bremen erschienen ist) gehört zum Elegan-
testen, was in solchen Turnieren bisher gesehen worden
ist. Eingeladen zu Vorträgen und Führungen durch
die Künstlerbundausstellung war dieser merkwürdige
Kunstjurist aus Mannheim von einer „Verbindung
Bremer Kunstfreunde", die eigens zu dem Zwecke ge-
gründet worden ist, dem Leiter der Kunsthalle die
Thätigkeit zu erschweren. Natürlich nennt dieser Verein
das Kind bei einem anderen Namen; er spricht von der
wünschenswerten Berücksichtigung „aller zulässigen
Richtungen auf dem Gebiet der bildenden Künste"
und warnt vor der „berlinisch-französischen Richtung".
Die Wirkung des Pathos, das der Advokat aus Mann-
heim entwickelte, ging unter in dem Gelächter, das sich,
nicht nur in Bremen, erhob, als Pauli diesem Zwillings-
bruder Henry Thodes nachwies, dass er anonym ein
Buch hat erscheinen lassen, das den schönen Titel führt:
„Zeus, Gedanken über Kunst und Dasein von einem
Deutschen", und dass er in diesem anonymen Buch sich
selbst, Theodor Alt, neben Hartmann, Kant, Schiller,
Virchow, Fechner, Semper und Wölfflin als Autorität
genannt hat, dass er also für sich selbst Reklame ge-
macht hat in einer Art, die jeden der von diesem Ge-
setzeskundigen angegriffenen Kunstschriftsteller, der es
ebenso triebe, die literarische Reputation kosten würde.
Wahrscheinlich ist es dieser prompten Abfertigung zu
danken gewesen, dass der Antrag, den die „Verbin-
dung Bremer Kunstfreunde" bei der Bremer Bürger-
schaft gestellt hat, es möchten der Verwaltung der
Bremer Kunsthalle drei Kommissare als Vertreter des

Senats und der Bürgerschaft zur Kontrolle beigegeben
worden, abgelehnt werden ist.

HofFentlich sind damit nun die Hemmnisse endgültig
beseitigt. Hoffentlich begreift man in Bremen, dass man
den verantwortlichen Leiter eines Museums gewähren
lassen muss, wenn er einmal gewählt worden ist und
seine Tüchtigkeit erwiesen hat. Schiller, der den ängst-
lichen Herren in Bremen nicht verdächtig sein wird,
hat für alle ähnliche Fälle ein schönes Wort dem Max
Piccolomini in den Mund gelegt!

„Der seltene Mann will seltenes Vertrauen,
Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er sich setzen".

Im Anschluss an diese Ausführungen interessiert
vielleicht eine Liste der Neuerwerbungen der Bremer
Kunsthalle unter Paulis Regime Es wurden erworben
seit 1899 bis jetzt 38 alte Meister, 102 neuere deut-
sche Bilder, 16 französische Werke, 1 Spanier, 3 Eng-
länder und 5 Niederländer. Diesen Zahlen gegenüber
hält es schwer zu verstehen, wogegen man in Bremen
eigentlich protestiert.

*

Zwei Landschafter, Eugen Bracht und Theodor
Hagen, haben vor kurzem ihrem siebenzigsten Geburts-
tag gefeiert. Von beiden wurden Kollektivausstellungen
in Weimar und Dresden veranstaltet. Beide sind in erster
Linie einflussreiche Lehrer gewesen und haben dadurch
stark mittelbar auf die deutsche Malerei gewirkt. Theo-
dor Hagen vor allem hat in einer stillen Weise den
Sinn für gute Landschaftsmalerei unter den Talenten
mancher Generation zu verbreiten gewusst.

Herr Bürgermeister Reicke schickt uns mit Bezug
auf die ihn betreffende Notiz des vorigen Heftes eine
Berichtigung. Er schreibt: „Die Behauptung, ich hätte
erklärt, ich müßte Künstler wie Slevogt, Kolbe, Hübner,
Mosson ablehnen, ist unwahr. Das Gegenteil ist die
Wahrheit. Ich habe erklärt: auch diesmal finden wir in
der Sezession eine Unmenge vortrefflicher Werke.
Künstlern wie Slevogt, Kolbe, Hübner, Mosson wird man
immer mit Freude begegnen. Was aber die im ersten
Saal ausgestellten französischen Importen betrifft, so
scheinen sie mir ein falscher Tropfen in unserm Blute
und ich kann mir nicht denken, dass sie der Kunstgeist
und nicht vielmehr ein sensationslüsterner Geschäfts-
geist uns hergeführt hat." —

Jedenfalls hat der Redner sich dann sehr unklar aus-
gedrückt; unklarerals in denSätzen oben. Denn mancher
Ohrenzeuge will das Gegenteil gehört haben, was nur
erklärt werden kann durch eine gewisse Verworrenheit,
die der grosse Augenblick in dem Redner erzeugt hat.
Anwesende haben sogar noch andere Äusserungen ge-
hört, die weniger harmlos sind, als alle bisher bekannt
gewordenen Worte.

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