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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 11
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Roessler, Arthur: Die österreichische Staatsgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0552
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FERD. WAI.DMULLER, WEINRANKEN

biedermeierischen Gemächlichkeit, ein paarmal
raunzen noch Unzufriedene, dann beginnt die Träg-
kraft ihre Macht zu üben und es wird still, über
das Stückwerk wuchert üppig das Gras der Ver-
gessenheit. Diesem spezifischösterreichischen Schick-
sal schien auch Wiens moderne Galerie verfallen zu
sein. Nach einen schönen Anfang stagnierte sie
unter der Obhut eines provisorischen Konservators
Jahre hindurch. Und nun die Überraschung!

Eine in den Wiener Zeitungen vor zwei Mo-
naten veröffentlichte Kundmachung des k. k. Mini-
steriums für Kultus und Unterricht teilte mit, dass
die bis dahin unter dem Namen „Moderne Galerie"
bestandene Sammlung künftig die Bezeichnung
„Österreichische Staatsgalerie" führen werde. Mit
der Namensänderung wurde gleichzeitig auch eine
Erweiterung des Programmes kundgethan, insofern
nicht mehr ausschliesslich malerische und plastische
Werke des neunzehnten Jahrhunderts und der neue-
sten Zeit als Sammelobjekte Aufnahme finden sollen,
sondern auch Denkmäler, namentlich österreichi-
scher Kunst aus allen früheren Epochen.

„Es handelt sich also — wie Professor Dvorak
äusserte — bei der neuen staatlichen Sammlung
nicht um eine doktrinäre Gründung, deren kon-
kreter Inhalt erst gefunden und herbeigeschafft
werden muss, sondern dieser Inhalt ist da und
fordert kategorisch eine entsprechende museale
Einrichtung. Ein besonders glücklicher Gedanke
war ihre Verknüpfung mit der modernen
Galerie. Zu den Hauptgründen der heillosen
Verwirrung der KunstbegrifFe ist die im vorigen

Jahrhundert aufgekommene Unterscheidung
zwischen ,alterc und ,modernerc Kunst zu
zählen, die auch in der Zweiteilung der
Galerien ihren Ausdruck fand. Gemälde
von Manet, Whistler, Cczanne, Skulpturen
von Rodin, Lederer hängen weit mehr mit
Werken Tizians, Rembrandts, Fragonards,
Michelangelos zusammen, als mit den Mach-
werken der zurückgebliebenen Zeitgenossen,
was allen einsichtsvollen Besuchern der Mu-
seen längst klar geworden wäre, wenn man
die Meisterwerke der Neuzeit, statt sie mit
zeitgenössischen Mittelmässigkeiten zu gar-
nieren, neben den Meisterwerken der älteren
Zeit aufgehängt oder aufgestellt hätte. Eine
kundige Hand, die aus der Masse der Produk-
tion das zu wählen weiss, was für die Lösung
der künstlerischenProbleme von schöpferischer
Bedeutung war, wird aber gerade bei uns in
Österreich historische Reihenfolgen, die bis zu un-
serer jüngsten Kunst hinaufführen, zusammenstellen
können, deren Beweiskraft und Wirkung gegen-
über das Gezeter derlgnoranten verstummen dürfte."
Über die Nützlichkeit der Um- und Ausgestal-

KARL SCHUCK, LANDSCHAFT
MIT ERLAUBNIS VON KARL HABERSTOCK, BERLIN

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