Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Kunstausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0638

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Galerie, wie er (von vielen Seiren in Düsseldorf) ge-
wünschr wird, wäre thöricht und wegen der Geldfrage —
es handelt sich dabei um etwa 7 Millionen Mark — und
gegen den Willen des cezannefeindlichen Teils der Aka-
demie nicht so einfach durchzuführen. Die Galerie ist
an manchen Gliedern schwach, aberNemes hat offenbar
den Blick für Qualität. Sie setzt als Ganzes in Erstaunen
und wirkt verführerisch. Die 122 Bilder der Sammlung
sind in den zwei Haupt- und zwei schmalen Nebensälen
des oberen Stockwerkes der Städtischen Kunsthalle für den
Anblick erfreulich und
auch mit Hinsicht auf R*?m>
die kunsthistorischen
Zusammenhänge gut
gehängt. Der Saal der
Grecos und Goyas ist
der Saal der grossen
Anstiege, Überblicke
und Perspektiven. Mit
Tintorettos „Aufer-
stehung" rücken wir
schon in Grecos Nähe;
aus dessen Bildnis des
Louis Gonzaga sieht be-
reits Velasquez in Farbe
und Haltung. Im linken
von Goyas „Zwei Trin-
kern" kündet Daumier
sich an. — Der eben-
genannte Saal, die zwei
Nebensäle mit den mo-
dernen Franzosen, und
in dem andern grossen
Saal das Stückchen
Wand mit drei guten
Bildern des Barthel
Bruyn und zweien des
grossen Gerard David,
beherrschen die Samm-
lung. Italien fällt leider
aus und die schönen
niederländischen

stable bedeutend ist) sind ebenso schwach vertreten wie
die Flamen.

Die Sensation der Galerie ist Greco, Cezanne hat
vieles von ihm. Beide sind Mystiker, am Anfang war
bei ihnen der Rhythmus ihres inneren Schauens. Wie er
bei Greco klingt, kann man nicht fassen, aber er muss
stimmen, denn wir könnten in seinen Bildern nichts ver-
schieben oder uns in einer anderen Farbe denken. Da-
bei ist er Spanier, was man an seinen Gesichtern sieht,
und Barockkünstler. Er gebraucht wie Michelangelo die

Dissonanz als Kompo-

AUG. RENOIR, BLUMENSTUCK

AUSGESTELLT IM FRANKFURTER KUNSTVEREIN

Stücke der Sammlung, wie Rembrandts „David", Teniers
,,le roi boit" u. a. sind hier nicht zu sehen. Es hängt da
ein angeblicher Vater Rembrandts, aus der Sammlung
Boehler, den wir nach den Darlegungen Bodes (Zeit-
schrift für bildende Kunst, XXIII, S. 218) für echt an-
sehen müssen. Fällt dieses Bild durch seine exzeptionelle
Anbringung auf, so durch Qualität ein Strandstilleben
von Beyeren, eine Landschaft mit Kühen von Aelbert
Cuip. Franzosen und Engländer (von denen ein Con-

Gelegenheit ganz oder teilweise verkaufen will, dass eine An-
nahme, wie die im vorigen Heft mitgeteilte, durchaus nicht
frivol erscheint. Solche Behauptungen werden auch immer
wieder auftauchen, solange Herr von Ncmes nicht kategorisch
erklärt, er zeige seine Sammlung in deutschen Kunstzentren
nur zum Zwecke einer wirksamen Propaganda für gute Kunst.

sitionsmittel. Aus den
Händen, die sich um
einen Christusknaben
herumlegen, macht er
ein herrliches Orna-
ment; ein andermal
schafft er aus ihren Be-
wegungsrichtungen ein
Parallelogramm der
Bildkräfte. Überall die
Verschiebungen, die
Grecosclie Gebärde; er
ist dergrosseStilisr, auch
in derFarbe: sieist fern-
ab von allen Prinzipien.
Er malt ein paar Hände
zum Beispiel unbeirrt
von dernaturalis tischen
Form, und ohne an ihr
zu kleben. Dabei ver-
mag er nicht nur jenen
lebendigen Dingen,
sondern auch jeglicher
amorphen und pflanz-
lichen Form mensch-
licher Individualität zu
verleihen. Sei es die kri-
stallinische Höhle des
Himmels, einStückchen
Landschaft, ein Ast am
Boden, es lebt. Das
Bild „Christus am Olberg" wird dadurch von einer Poe-
schen Suggestionskraft und seltsamem Mesmerismus er-
füllt. Vorn liegen die Apostel in unheimlichen Farb-
träumen, dahinter vollzieht sich im Glanz eines himm-
lischen Lichts das Wunderbare.

Neben der fabelhaften, ungehemmten Ausdrucks-
kraft der ausgestellten sechs Bilder des Greco kommt
die gleiche Zahl der Goyas nur langsam auf. Merk-
würdigerweise erscheint ein Zug zum Naturalismus bei
ihm als veredelnd. Wo von ihm der Weg zu Daumier
führt, sagte ich schon. Von diesem kommen wir zu der
festen natute Courbets, weiter zu Manet mit den Pfir-
sichen, der Rue de Berne und noch drei Bildern. Wäh-
rend sich der Impressionismus in Degas, eine Zeitlang

610
 
Annotationen