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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Behrendt, Walter Curt: Paul Wallot
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0065

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PAUL WALLOT t

VON

WALTER CURT BEHRENDT

Als ich vor einigen Jahren einmal auf einer
l Studienreise in Würzburg weilte und bei einer
Führung durch die Prachträume des bischöflichen
Residenzschlosses, dieses ehrwürdigen Denkmals
barocker Baukunst, länger als die übrigen Besucher
in der Halle des grossen Haupttreppenhauses weilte,
voller Bewunderung für die grossgeartete Bau-
gesinnung, die mit solchen Gewölbspannungen nur
einer frei und heiter sich entfaltenden Dekorations-
kunst eine würdige Folie bereiten wollte, trat der
Schlosskastellan an mich heran, und fragte mich,
ob ich ein Baumeister sei von Beruf. Ich ant-
wortete ihm, dass ich einmal ein Architekt wer-
den wolle und eben noch in Berlin studiere. „In
Berlin", rief er aus, in „Berlin! Dann kennen Sie
gewiss den Professor Wallot. Der war neulich
hier und hat das Gewölbe da oben aufgemessen
mitsamt der Konstruktion unterm Dach. So eine
Arbeit, so eine Wölbekunst, meinte er, sei heute
von den Polieren nicht mehr herauszubekommen.
Und als er fertig war mit seinen Skizzen, sagte er
zu mir: ,Wissen Sie denn auch, wer ich bin? Ich
bin der Wallot, der in Berlin das Reichstagsgebäude
verdorben hat.'"

Der Mann, der mit wehmütiger Resignation
und nicht ohne tiefinnere Verbitterung so von sich
sprach, ist am 10. August, kurz nach seinem
y\. Geburtstag, gestorben. Und das Interesse des
Kunstfreundes geht zurück zu jenem Bau, der die
Lebensthat dieses Architekten geworden ist und
seinem Namen Klang und Bedeutung in der Welt
gegeben hat. Die ersten Pläne zum Reichshaus liegen
nun fast dreissig Jahre schon zurück; seit der Voll-
endung des Baues, 1894, ist geraume Zeit ver-
flossen und an die Stelle hitzigen Meinungskampfes,
in dem die Nähe des Objektes das klare Urteil der
Streitenden verwirren musste, ist eine ruhige partei-
lose Betrachtung getreten, die ohne Leidenschaft
und mit der Sicherheit des Distanzgefühls die künst-
lerische Leistung abzuwägen vermag.

Die Baugeschichte des Hauses ist voll drama-
tischer Einzelheiten. Wallot gewinnt, ein Vierzig-
jähriger, den ersten Preis im nationalen Wettbewerb.
Die Klarheit räumlichen Denkens, die der Grund-
riss seines Konkurrenzprojektes zeigte, auf dessen
rechtwinklig sich kreuzendem Achsenpaar dieHaupt-

räume des Hauses aufgereiht sind, die selbständige
Kraft künstlerischer Erfindung, die sich in der
architektonischen Komposition der Fassaden und in
dem kühn erdachten Motiv einer hohen, den
Hauptraum des Hauses baldachinartig überwölben-
den Kuppel offenbarte, hatte ihm nach einstimmigem
Urteil des Preisgerichts die Siegespalme eingebracht.
Die Reichstagsbaukommission tritt alsbald mit dem
Sieger in Verbindung, um ihm die Bearbeitung
eines Ausführungsprojektes auf der Basis eines
wesentlich abgeänderten Bauprogramms zu über-
tragen. So winkt dem Preisträger der schönste Lohn
seiner Arbeit, wertvoller als jede andere Prämie: die
Übersetzung seines Projektes in die Wirklichkeit
und die Bauausführung auf der Grundlage seiner
Vorentwürfe. Aus dem engen Wirkungskreis eines
Privatarchitekten, den ihm seineThätigkeit in Frank-
furt a. M. zu bieten hatte, sieht er sich herausgelöst
und vor eine selten grossartige Aufgabe der Monu-
mentalarchitektur gestellt, die er mit jugendlicher
Begeisterung und im stolzen Bewusstsein seiner
frischen künstlerischen Gestaltungskraft angreift.
Die übersprudelnde Fülle seiner Einfälle, die un-
gewohnte Kühnheit, mit der die unverbrauchte
und schier unerschöpfliche Formphantasie dieses
Jungen ihre Gedanken verströmt, lässt die alten
Akademiker, die über seine Zeichnungen begut-
achtend zu Gericht sitzen, die blutleeren Köpfe
schütteln, dass der Staub aus den Perücken fliegt.
Sie zittern vor dem zügellosen Temperament des
vom Geist seiner Arbeit fortgerissenen Künstlers
und empfehlen daher die Ausbildung der Archi-
tektur „im Sinne einer edlen und würdigen Ein-
fachheit"; raten ein grösseres Maasshalten und
Vermeiden aller willkürlichen und übertriebenen
Anordnungen an. „Denn nicht in der ungemesse-
nen Häufung architektonischen und plastischen
Schmuckes, sondern in sparsamer und dadurch um so
wirkungsvollerer Anwendung sinnvoller Kunst-
gestaltungen besteht das Wesen wahrer Monu-
mentalität."

Wallot hat sichs nicht verdriessen lassen und
hat die Kritik, die ihm das Leben bei seinem Bau
sauer machte, mit Gleichmut ertragen. Namentlich
gegen die Anordnung der Kuppel sind vielfach
Einwendungen, von berufener und unberufener





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den.





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