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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Pauli, Gustav: Über ein Porträt von Leibl
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0070

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Münchner Kollegen hat ihn nicht verlangt. Und nun be-
drohten ihn andere Gäste — die Untugenden oder die sub-
alternenTugenden seines eigenen Wesens, zum Beispiel die
übertriebene Gewissenhaftigkeit und ein gewisser Fleiss,
der auf einen maskierten Müssiggang hinausläuft. Das
Talent in ihm bedrohte das Genie und er verfiel einer
grillenhaften Meisterschaft, die über der Vollendung
des Einzelnen die Organisation des Ganzen vergass.
Wir brauchen keine Bilder zu kritischer Betrachtung
aufzurufen. Leibl hat sie selber mit dem Messer kriti-
siert! Hat einer wohl die Tragik dieser Selbstverstümme-
lung ermessen! Und nun stehen wir vor jenen wunder-
vollen Fragmenten, deren Schönheit uns über den Fehl-
schlag des Ganzen trösten muss. Dass die unversehrten
Bilder, die den gleichen Geist, wie jene Opfer atmen,
Leibl erst recht populär gemacht haben, spricht keines-
wegs zu ihren Gunsten.

Nun ist es aber eine wohl noch nicht hinlänglich ge-
würdigte Thatsache, dass Leibl gerade in seinen letzten
Jahren sich den Gefahren seines Talentes entwunden
hat. Sein malerischer Vortrag wird wieder lebendiger
und lockerer; aus seinem Inkarnat schwinden die
schwärzlichen Schatten, seine Malerei wird lichter und

wärmer und vor allem farbiger. Als Tonmaler hatte
Leibl begonnen; als Kolorist hat er geendet. Eben unser
Frauenbildnis bezeugt es wieder. Über die ganze Bild-
fläche geht es wie ein weiches und warmes Farben-
klingen. Im Hintergrunde sind mit breitem Pinsel röt-
liche und bräunliche Töne hingesetzt. (In einem Briefe
an den Besteller des Bildes hatte Leibl sich einen Gobelin
als Requisit gewünscht.) Auf einem Schranke steht ein
Messingkrüglein, dessen Rötlichgelb in hellem Reflex-
licht glänzt. Durch die zarte Haut des Gesichtes schim-
mert gedämpft das rote Blut; alle Formen sind hell
modelliert. Über der Brust vereinigen sich Gold und
Blau im Spitzenjabot mit den rosa Tönen des Jacken-
aufschlags zu einem lebhaften Farbenspiel. Selbst das
Schwarz ist von anderer Art als auf den frühen Bildern,
farbiger, wärmer. —

Als Leibl an dieser Arbeit sass, quälten ihn bereits
die Beschwerden seiner letzten Krankheit. Bald ver-
sagten die Augen den Dienst und alle Kunst der Ärzte
vermochte die immer schwerer lastende Bürde des
Körpers nicht mehr zu erleichtern. — Doch unser Bild
lässt nichts dergleichen ahnen. Es scheint vielmehr eine
neue Jugend zu versprechen.

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AUGUSTE RENOIR, DAS FRÜHSTÜCK

AUSGESTELLT IM FRANKFURTER KUNSTVEREIN

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