Sprache des Jahrhundertsanfangs, aber mächtig in
Formengebung und Ausdruck und ein Stallinterieur, in
dem der aus seiner Bahn geworfene Titan zur Alltäg-
lichkeit herabgestiegen, merken Anfang und Ende dieser
kurzen, glanzvollen aber jammervoll endenden Lauf-
bahn an.
Ein kleines, ausgezeichnetes Bild, „Laras Tod" ver-
gegenwärtigt uns Delacroix. Seltsam ist es, wie weit
darin die äussere Anlehnung an Rubens geht. Die
Landschaft, das Terrain und der ferne Wald sind ganz
in Rubensscher Manier. Der weibliche Halbakt, wäre
er nur etwas üppiger, könnte von Rubens selbst sein.
Das bläuliche Perlmutter auf dem warmen Fleischton
der Hände und das Rot des Gewandes sind für Rubens
typisch. Bei Delacroix allerdings bekommt alles einen
anderen Sinn. Ein Kastanienbraun und ein starkes Grün
erweitern die Harmonie und geben ihr einen neuen,
leidenschaftlichen
Klang. Von dem Walde
her, über dem eine
eisiggraue Wolke in den
scharfblauen Himmel
heraufzieht, weht eine
ganz andere Luft her-
über als von Rubens
Fluren. In dem blassen
Gesicht des Mädchens
liegt ein Ausdruck, so
zart, wie er Rubens, der
perlende Tränen und
zum Himmel klagende
Augen liebt, niemals
eingefallen wäre.
Eine neue Empfin-
dung, die sich alter
Form bedient. Neuer,
starkerWein, aber noch
nicht in neuen Schläu-
chen.
Ingres ist durch
einen „Studienkopf"
nur angedeutet. Wie
viel bewunderter und
geliebter Kunst Urbild
aber erkennt man in
diesem kleinen Bilde
wieder!
Sein direkter Ein-
fluss erscheint in einem
„Damenporträt" von
Chasseriau, einem lie-
benswürdigen Werke,
dessen Zauber sich viel-
leicht durch die per-
sönliche Empfindung
des Künstlers für sein
Modell erklärt, die eines kühlen Stils Herr ward. So-
dann in einem dekorativen Bilde Puvis de Chavannes.
In Corot, der glücklichsten Begabung, dem das
Schaffen so leicht und natürlich ist, wie dem Vogel der
Gesang, rettete sich die Tradition altfranzösischer An-
mut an Davids Puritanerstrenge vorbei ins neunzehnte
Jahrhundert hinüber. Zugleich aber verkörpert sich in
ihm, was Frankreichs Kunst gross macht: die un-
bestechliche Beobachtung. Nicht als Farbe jedoch, wie
Delacroix, sondern als Ton stellt die Natur sich ihm dar.
Seine Farbe, wie anmutig und fein sie auch ist, ist doch
nur eine schöne, aber monotone Zugabe.
Eine seinerentzückenden Mandolinenspielerinnen,mit
dem dunklen Blaugrün des Mieders, den Erdbeerfarben
des Kleides, dem Milchweiss der Wäsche und der blühen-
den Blässe des charmanten Gesichts, alles um einen Ton
dunkler als sonst, begegnet uns hier. Daneben eine
kleine Studie des (Kolos-
seums, zwei rosige
Landschaften und ein
ganz eigentümliches
Bild blumensuchender
Kinder, das sehr an sei-
nen grösseren Nach-
fahren Renoir erinnert.
Die Schule von Fon-
tainebleau ist ausser-
dem nur durch einen
Dupre, zwei weniger
bedeutende Diaz und
eine kleine Land-
schaft von Millet ver-
treten, denn dessen
„Brustbild einer Dame"
lässt den Meister von
Barbizon noch nicht
ahnen.
Es ist wohl ein Bild
aus jener Zeit, wo der
dem Atelier Delaroche
entschlüpfte mit Nym-
phenidyllen seine
ersten Erfolge in der
Provinz davontrug und
sich,stolz auf dieersten
erworbenen Taler, ver-
heiratete. Es stellt seine
Schwägerin dar. In der
Haltung der Mona
Lisa gemalt, in einer
Sprache, die deutlich
von seiner Erziehung
durch Kopieren zeugt,
mit leichtem Anklang
an barocke Formen-
gebung in der Bildung
ED. DEGAS, TÄNZERIN. STUDIE (PASTELL)
AUSGESTELLT IM FRANKFURTER KUNSTVEREIN
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Formengebung und Ausdruck und ein Stallinterieur, in
dem der aus seiner Bahn geworfene Titan zur Alltäg-
lichkeit herabgestiegen, merken Anfang und Ende dieser
kurzen, glanzvollen aber jammervoll endenden Lauf-
bahn an.
Ein kleines, ausgezeichnetes Bild, „Laras Tod" ver-
gegenwärtigt uns Delacroix. Seltsam ist es, wie weit
darin die äussere Anlehnung an Rubens geht. Die
Landschaft, das Terrain und der ferne Wald sind ganz
in Rubensscher Manier. Der weibliche Halbakt, wäre
er nur etwas üppiger, könnte von Rubens selbst sein.
Das bläuliche Perlmutter auf dem warmen Fleischton
der Hände und das Rot des Gewandes sind für Rubens
typisch. Bei Delacroix allerdings bekommt alles einen
anderen Sinn. Ein Kastanienbraun und ein starkes Grün
erweitern die Harmonie und geben ihr einen neuen,
leidenschaftlichen
Klang. Von dem Walde
her, über dem eine
eisiggraue Wolke in den
scharfblauen Himmel
heraufzieht, weht eine
ganz andere Luft her-
über als von Rubens
Fluren. In dem blassen
Gesicht des Mädchens
liegt ein Ausdruck, so
zart, wie er Rubens, der
perlende Tränen und
zum Himmel klagende
Augen liebt, niemals
eingefallen wäre.
Eine neue Empfin-
dung, die sich alter
Form bedient. Neuer,
starkerWein, aber noch
nicht in neuen Schläu-
chen.
Ingres ist durch
einen „Studienkopf"
nur angedeutet. Wie
viel bewunderter und
geliebter Kunst Urbild
aber erkennt man in
diesem kleinen Bilde
wieder!
Sein direkter Ein-
fluss erscheint in einem
„Damenporträt" von
Chasseriau, einem lie-
benswürdigen Werke,
dessen Zauber sich viel-
leicht durch die per-
sönliche Empfindung
des Künstlers für sein
Modell erklärt, die eines kühlen Stils Herr ward. So-
dann in einem dekorativen Bilde Puvis de Chavannes.
In Corot, der glücklichsten Begabung, dem das
Schaffen so leicht und natürlich ist, wie dem Vogel der
Gesang, rettete sich die Tradition altfranzösischer An-
mut an Davids Puritanerstrenge vorbei ins neunzehnte
Jahrhundert hinüber. Zugleich aber verkörpert sich in
ihm, was Frankreichs Kunst gross macht: die un-
bestechliche Beobachtung. Nicht als Farbe jedoch, wie
Delacroix, sondern als Ton stellt die Natur sich ihm dar.
Seine Farbe, wie anmutig und fein sie auch ist, ist doch
nur eine schöne, aber monotone Zugabe.
Eine seinerentzückenden Mandolinenspielerinnen,mit
dem dunklen Blaugrün des Mieders, den Erdbeerfarben
des Kleides, dem Milchweiss der Wäsche und der blühen-
den Blässe des charmanten Gesichts, alles um einen Ton
dunkler als sonst, begegnet uns hier. Daneben eine
kleine Studie des (Kolos-
seums, zwei rosige
Landschaften und ein
ganz eigentümliches
Bild blumensuchender
Kinder, das sehr an sei-
nen grösseren Nach-
fahren Renoir erinnert.
Die Schule von Fon-
tainebleau ist ausser-
dem nur durch einen
Dupre, zwei weniger
bedeutende Diaz und
eine kleine Land-
schaft von Millet ver-
treten, denn dessen
„Brustbild einer Dame"
lässt den Meister von
Barbizon noch nicht
ahnen.
Es ist wohl ein Bild
aus jener Zeit, wo der
dem Atelier Delaroche
entschlüpfte mit Nym-
phenidyllen seine
ersten Erfolge in der
Provinz davontrug und
sich,stolz auf dieersten
erworbenen Taler, ver-
heiratete. Es stellt seine
Schwägerin dar. In der
Haltung der Mona
Lisa gemalt, in einer
Sprache, die deutlich
von seiner Erziehung
durch Kopieren zeugt,
mit leichtem Anklang
an barocke Formen-
gebung in der Bildung
ED. DEGAS, TÄNZERIN. STUDIE (PASTELL)
AUSGESTELLT IM FRANKFURTER KUNSTVEREIN
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