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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 5
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Géricault, Théodore: Die Schulen für Malerei und Plastik und der Rompreis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0287

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THEODORE GER.ICAULT, ZEICHNUNG
BREMER KUNSTHALLE

lauf zu einem edlen und reinen Stil, konnte die
Begeisterung nicht anders als nachlassen, wenn
auch die ausgezeichneten Lehren, die man schon
empfangen hatte, dem Urteil nicht völlig verloren
sein konnten und alle Bemühungen der Regierung
dahin gingen, jene günstige Strömung möglichst
lange zu erhalten. Aber das heilige Feuer, das
allein die grossen Werke hervorbringen kann, er-
löscht täglich mehr und die Ausstellungen, ob-
gleich zahlreich genug, sogar allzu zahlreich, werden
jedes Jahr uninteressanter. Man sieht da keins
jener edlen Talente mehr, die allgemeine Begeiste-
rung erregten und von einem Publikum, das stets
das Schöne und Grosse zu würdigen bereit ist, voll
Eifer bekränzt wurden. Gros, Gerard, Guerin,
Girodet erwuchsen noch keine würdigen Neben-
buhler ihrer Kunst und wenn sie auch das Amt
empfingen, eine Jugend voll hochherzigen Wett-
eifers zu unterrichten, so ist doch zu befürchten,
dass sie am Ende ihrer langen und ehrenvollen
Laufbahn das Bedauern mitnehmen werden, sich

nicht würdig ersetzt zu sehen. Doch konnten
wir sie ohne ungerecht zu sein nicht anklagen, mit
ihren Bemühungen denen gegenüber, die ihrem
Unterricht folgen, gespart zu haben.

Woher kommt nun also jene Unfruchtbarkeit,
jene Armut, den Medaillen, Rompreisen und Preis-
verteilungen der Akademie zum Trotz? Ich war
immer der Meinung, dass eine gute Ausbildung die
unentbehrliche Grundlage aller Berufe sei und
allein für wirklich hervorragende Leistungen, in
welchem Fach auch, bürgen könne. Sie dient dazu
den Geist zu reifen und ihn, indem sie ihn auf-
klärt, das Ziel, nach dem er streben soll, deutlicher
erkennen zu lassen. Die Wahl eines Berufes kann
man erst treffen, wenn man imstande ist seine Vor-
und Nachteile abzuwägen und mit Ausnahme
einiger frühreifer Naturen werden die Neigungen
sich kaum je vor dem sechzehnten Lebensjahre
äussern. Dann aber kann man wirklich wissen,
was man will und besitzt noch die zum Erlernen
eines Berufes nötige Fähigkeit, sei es, dass man ihn

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