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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 6
DOI Artikel:
Proust, Antonin: Erinnerungen an Edouard Manet, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0331

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EDOUARD MA.NET, STUDIE ZUM „FRÜHSTÜCK IM GRASE". AQUARELL

ERINNERUNGEN AN EDOUARD MANET

vi

von ANTONIN PROUST

Am Abend des 14. Juli 1879 begleitete mich
L Manet zu dem Feste, das Gambetta im Palais
Bourbon gab. Er war ganz entzückt davon, und ein
paar Tage darauf sagte er mir: „Es war wunder-
voll, aber es tropfte von den Kerzen. Glücklicher-
weise hat Elisa den Schaden gut gemacht. Was
für ein braves Mädchen ist diese Elisa! Siehst du,
es gibt wahrhaft gute Menschen! Und weit, weit
mehr, als man glaubt. Ich bilde mir nicht etwa
ein, demokratischer als die meisten zu sein, im
Gegenteil, ich bin sogar sehr aristokratisch. Aber
wenn mir ein Wesen begegnet, wie diese Elisa,
so liebe und bewundere ich die ganze Menschheit.
Und handelt es sich darum, Dienste anzuerkennen,
die man mir geleistet, dann ist das noch eine ganz
andere Sache, da werde ich ganz dumm. Ja, wenn
ich an Elisa die grössten Schätze zu vergeben hätte,
so würde ich mich doch immer als ihren Schuldner
fühlen." Während des Jahres 1879 verfolgten
Manet zwei Ideen, die ihn nicht losliessen: erstens
ein Bild im Freien zu malen, aber so ganz in Luft
und Sonne gebadet, dass die Gesichtszüge der Per-
sonen, wie er es ausdrückte, sich in dem Geflimmer

der Atmosphäre völlig auflösen müssten, etwas noch
viel Lebensvolleres als die Eisbahn oder das Boot
in Argenteuil. Und als zweites mein Porträt auf
einen Hieb, auf einer unpräparierten weissen Leine-
wand, in einer einzigen Sitzung fertig zu malen.
Er machte also zu gleicher Zeit den „Pere Lathuille",
vielleicht sein überraschendstes Werk, und mein
Porträt. Nachdem er sieben oder acht Entwürfe
verworfen hatte, wurde das Porträt plötzlich auf
einen Schlag. Nur die Hände und einige Teile des
Hintergrundes behielt er sich für ein andermal vor.
An dem Abend, als das Porträt fertig war, drehte
er es zur Wand, denn er wollte es keinem zeigen,
ehe es gerahmt war. „Der Rahmen ist notwendig,"
wiederholte er, indem er vergnügt im Atelier auf-
und abschritt, „ohne den Rahmen verliert ein Bild
um hundert Prozent. Weiss Gott, diesmal ist es
etwas geworden, und wie das aus dem Hintergrund
hervorkommt! Morgen mache ich es ganz fertig,
die Hand im Handschuh ist nur angedeutet. Mit
drei Strichen, hier, hier und hier wird man sie
lebendig fühlen."

Wir gingen zum Pere Lathuille Mittag essen.

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