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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 7
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Sauerlandt, Max: Adams Schlaf: Bemerkungen zu einem Aquarell Moritz von Schwinds
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0378

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K. Seh.

ADAMS SCHLAF

BEMERKUNGEN ZU EINEM AQUARELL MORITZ VON SCHWINDS

VON

MAX SAUERLANDT

as von Schwinds Schüler Julius
Naue, dem früheren Besitzer
des Blattes „Adams Traum"
genannte grosse Aquarell ist
das Hauptwerk der Wiener
Jugendjahre Moritz von
Schwinds. Das rätselhaft Sym-
bolische des Bildinhaltes, das
zu der vertrauten Durchsich-
tigkeit Schwindscher Phantasievorstellung und Märchen-
gestaltung gar nicht recht stimmen will, hat Anlass zu
den mannigfaltigsten, das Ziel immer noch verfehlenden
Erklärungsversuchen gegeben.

Die dem ersten Blick einleuchtende Verwandtschaft
des Blattes mit Runges Tageszeiten leitet auf den rich-
tigen Weg der Deutung: enger noch als Runge hat
Schwind sich in seiner Komposition an den Text Jacob
Böhmischer Mystik gehalten.

Wer ihm die Kenntnis der Werke des Görlitzer
Theosophen vermittelt hat, steht dahin: seitdem Tieck
von Novalis als „Verkündiger der Morgenröte", als
Prophet Böhmes begrüsst war, kehren Anklänge an
Böhmes Mystik in der frühromantischen Poesie ja immer
wieder, und die den Dresdner Briefen Runges merk-
würdig verwandten Fragmente derjugendbriefe Schwinds
an Franz von Schober lassen erkennen, dass er im Beginn
der zwanziger Jahre des Jahrhunderts unter dem frischen
Eindruck eines ersten unglücklichen Liebeserlebnisses
in einer Epoche innerer Gärung und körperlich seelischer
Entwicklung gestanden hat, der die überquellende
Phantasiewelt der Böhmischen Mystik zeitweilig will-
kommene Nahrung sein konnte. Ja, man meint etwas
von dem ins Gestaltlose Greifenden dieser Anschauungs-
weise in den Briefen selbst zu spüren, so etwa, wenn es
in einem Briefe vom n. April i8i4heisst: „Ich wünsche
nicht zu sterben, aber ich fühle oft die Wonne der Auf-
lösung. Ich sehne mich nach Existenz und stiller Ab-
geschlossenheit und brenne vor Verlangen und Liebes-
überfluss. Wo wird sich ein Herz, wo werden sich Arme
öffnen, mich zu beseligen und zu befreien! Ich mache
mir keine Vorwürfe, dass ich des Blicks, des Wortes oder

der Gestalt bedarf. Mir wird begreiflich, was Zärtlich-
keit ist, die reinste körperliche Empfindung, die glocken-
artig jede sanfteste Bewegung bis zum Schweben des
Tons verklärt und verkörpert. Mir schaudert es bis in
dieKnöchel hinab, da ich dasschreibe. Schober, geliebter!
ewig geliebter! Wie der Schall durch die Luft zittert,
so wird mich deine Nähe umfiuten und anglühen."

Aber auch von diesem begrenzt Persönlichen einer
jugendlichen Gefühlsmystik abgesehen — ebenso wie
rund zwanzigjahre vorher Runge, konnte jetzt Schwind
durch das echt frühromantische Suchen nach einem wür-
digen StofF,nach einer neuen christlichen Mythe, die nach
Friedrich Schlegelscher Doktrin anStelle der abgebrauch-
ten antiken Mythologie die Quelle der neuen Kunst
werden sollte, auf das Studium der Böhmischen Mystik
geleitet werden. In jedem Falle ist das grosse Aquarell
das bedeutenste Zeugnis und das wesentliche Ergebnis
dieser Studien.

Der Abschnitt „Von Adams Schlafe" im zwölften
Kapitel der Schrift „De tribus prinzipiis oder Beschrei-
bung der drei Principien göttlichen Wesens" enthält in
der Hauptsache die Lösung des anmutigen Bildrätsels
der Schwindschen Komposition: hier und in den anderen
Werken Böhmes, vor allem in der „Aurora oder Morgen-
röte im Aufgange" finden auch fast alle Einzelheiten
der symbolischen Darstellung ihre Erklärung.

In dem „süssen Wasser", das nach der Böhmischen
Kosmogonie „der Welt Anfang" ist, in der „Wasser-
Matrix", in die „die Sterne alle ihre Kraft werfen", siezum
Sieden und Aufwallen bringend, „davon das Wachsen im
Holz, Kraut, Gras und Tieren herrührt", ruht Adam,
wie er im Anfange aus dem durch Luzifer schon ver-
derbten Stoff geschaffen ist: „kein Mann und auch kein
Weib, gleichwie wir in der Auferstehung sein werden",
geschlechtslos als Androgyne „ganz und vollkommen,
den Nimbum — das männliche Prinzip — und die Matrix
in sich vereinigend, in Schlaf gezwungen durch die Macht
der Sonne und der Sterne und aller vier Elemente. Nun
aber im Schlafe, dem eigentlichen „Fall" der göttlichen
Wesenheit des Menschen, trennen sich die beiden Grund-
kräfte seiner Natur in ihm selber „die züchtige Jung-

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