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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Die Jüngsten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0400

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DIE JÜNGSTEN

VON

KARL SCHEFFLER

Die Impressionisten.

ie Kunst ist am stärksten immer
auf dem Punkte, wo sie genau
in der Mitte steht zwischen
Freiheit und Notwendigkeit,
zwischen Neuerungslust und
Traditionsgefühl, zwischen Na-
tur und Abstraktion. Gravitiert
sie zu sehr nach Seiten der persönlichen Freiheit, so
erscheint sie gleich naturalistisch willkürlich; gravi-
tiert sie zu sehr zum Stilgesetz, zur Abstraktion, so
wird sie formalistisch.

Die grossen Maler des neunzehnten Jahrhun-
derts, die wir die Gruppe der Impressionisten nennen,
standen in diesem Sinne im schönen Gleichgewicht
der Kräfte da. Sie waren Meister, deren Werke
historisch werden, das heisst, deren Kunst dauernd
Gültiges enthält, weil sie zugleich das alle Erschei-
nungen umfassende Gesetz und auch die zufälligen
Augenblicke der Erscheinungen darzustellen ver-
mochten, weil sie im Wechselnden das Bleibende
und im Bleibenden auch das Wechselnde zu malen

verstanden. Ihre Kunst steht ähnlich souverän da
wie die holländische Bürgerkunst des siebzehnten
Jahrhunderts: sie ist eine neue Stilschöpfung. Sie
hat hervorgebracht, was, bevor es da war, in keiner
Weise vorgestellt werden konnte und was jetzt, wo
es da ist, in keiner Weise mehr aus dem Leben
fortgedacht werden kann. Der Impressionismus ist
eine der klassischen Epochen der Malerei.

In jeder Vollkommenheit, in jeder Meisterschaft
sind nun aber Möglichkeiten der Entartung schon
vorgezeichnet. Ihrer bedienen sich die Erben, die
das Meisterhafte legitim nicht mehr übertreffen
können und die doch den natürlichen Wunsch haben
„über die Vorgänger hinauszugehen". Jede Meister-
schaft lässt sich nach zwei Seiten „entwickeln" : man
kann sie naturalistisch auflösen oder mit Hülfe ein-
seitiger Stilbegriffe formalisieren. Auch im Im-
pressionismus sind diese beiden Möglichkeiten ent-
halten. Jene erste Übersteigerung konnte für die
Erben nicht in Frage kommen, weil eine Periode
eines gesetzlosen Naturalismus dem Impressionis-
mus vorausgegangen, weil dieser im Kampfe mit

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