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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 9
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Kurz, Alexander: Der Schmelzer Friedhof
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0480

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Friedhofes zum Opfer. Ein Teil von ihm wird ver-
schwinden.

Mag sein, dass es der hochweise Magistrat auch an-
ders gekonnt. Aber es ist schon unsere Wiener Spe-
zialität mit der einen Hand doppelt zu nehmen, was
man mit der anderen Hand gegeben hat. Während
schweres Geld der Schaffung eines Wald- und Wiesen-
gürtels dienen soll, ist man andererseits darauf erpicht,
alle alten Bäume, die man nur finden kann, mit Stumpf
und Stiel auszurotten. Eine Zeit, die barbarisch die
alten Wohnstätten vergangener Geschlechter wegräumt,
um ihren eintönigen Talmipalästen Platz zu schaffen,
eine Zeit, deren Ideal es ist, alle Stätten europäischer
Menschheit gleich zu machen, wie ihre Bewohner, die
wird ihren Jugernautkarren auch bedenkenlos über
einen Friedhof hinwegzerren, der ihr nicht mehr ist
als ein verwildertes Gestrüpp mit ein paar verwitterten
Steinen.

Wir betreten dieses dem Untergang geweihte Stück-
chen Alt-Wiens. Ein schlichtes Gittertor, eine niedere
Einsegnungshalle, deren massvolle Formen nicht einmal
die schreiende Last aufgeklebter Plakate erdrücken
kann. Dann sind wir mitten drin, in diesem alten
Garten. Kein moderner Friedhof mit der unüberseh-
baren Reihe seiner Steine und Kreuze, nicht der hoch-
berühmte campo santo einer italienischen Stadt. Unser
Friedhof ist klein und mag mit dem ersten nicht an
Ausdehnung, mit dem andern nicht an Prunk der Grüfte
und der Kostbarkeit des verwendeten Materials wett-
eifern. Ein einziger Weg, an dessen Anfang ein höl-
zernen Heiland Leid und Erlösung zugleich kündet,

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ALTE GRABFIGUR VOM SCHMELZER FRIEDHOF IN WIEN

ALTES GRABMAL VOM SCHMELZER FRIEDHOF IN WIEN

geleitet hindurch. Zwischen den Steinen wächst hoch
das Gras, gleich wie auf dem ungleich berühmteren
Friedhof an der Cestiuspyramide in Rom. Zwischen
den dichten Hecken stehen die Grabmüler, die Zweige
umschlingen sie. Das Menschenwerk, zerbröckelnd
und alt, und die Natur fortwachsend und immer
jung, durchdringen sich und werden zu einem un-
löslichen Bild. Wer weiss heute, wer die einzelnen
Steine gemeisselt? Auch sie modern schon längst.
I Kein Künstler hat den Plan entworfen, niemand die
I einzelnen Denkmäler genau geprüft, ob sie auch
gut und trefflich sich in den Rahmen fügen.

Wir wollen heute solche Anlagen mit Plan und
Überlegung schaffen und doch bleibt der Zweifel
ob wir dem naiven Werden etwas Gleiches werden
an die Seite setzen können.

Auch der Schmelzer Friedhof hat einst seine
Glanzzeiten gehabt, wenn man das von einem Ort
menschlicher Ruhe sagen darf.

Das war um den Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts, zur Zeit als Grillparzer noch jugendfroh
den Aktenstaub und das Raunzen abwehrte. Das
Wien, das Waldmüller gemalt, das die Geburt der
Lannerschen Walzer erlebt, im Paradeisgartel pro-
meniert hatte, das Wien trug man am Schmelzer
Friedhof zu Grabe, mit einem Grablied, das dem
schärfer Aufhorchenden klang wie ein verklingen-
der Walzer.

Seit der Zeit des „tanzenden Kongresses" war

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